Aktuelles
„Nur so kann ich Kirche und Caritas denken“
„Alles Kirchliche, also alles Institutionelle, Rechtliche, Sakramentale, alles Wort, aller Betrieb in der Kirche und also auch alle Reform von all diesem Kirchlichen ist im letzten Verstand und in der letzten Absicht, so es sich nur selber richtig begreift und sich nicht selbst vergötzt, reiner Dienst, bloße Hilfestellung, für etwas ganz anderes, etwas ganz Einfaches und so gerade unbegreiflich Schweres und Seliges zumal: für Glaube, Hoffnung und Liebe in den Herzen aller Menschen.“
Überschrift:
Rudolf Hubert
Text:
Karl Rahner „Das Konzil – ein neuer Beginn“, mit einer Hinführung von Karl Kardinal Lehmann, herausgegeben von Andreas R. Batlogg und Albert Raffelt, Freiburg-Basel-Wien 2012, S.52– Der Text des Vortrages von Karl Rahner ist auch abgedruckt in Rahners SW, 21/2, S. 784
„Unbedingt kirchlich und mutig zugleich gilt es aus der innersten Mitte des Glaubens zu leben… nämlich von der Erfahrung des Geistes her, der in das Geheimnis der Liebe hineinbefreit.“
„Es findet wie ein Wettlauf statt, wer wirksamer und tiefer diese Freiheit verstehen und durchsetzen kann. Der Atheismus ist ganz mit diesem Thema beschäftigt: Befreiung der Vernunft von den Fesseln des Glaubens (Aufklärung), Befreiung des wirtschaftlich versklavten Menschen zu menschenwürdiger Arbeit ( Marx), Befreiung des Individuums von den Ketten seiner unbewältigten Vergangenheit (Freud), Befreiung der gesamten Menschheit vom Alpdruck eines nicht mehr geglaubten, als Leiche in der Weltgeschichte mitgeschleppten Begriffes Gott ( Nietzsche)“
Der christliche Freiheitsentwurf ist doch größer als alle diese Entwürfe, da er die Freiheit zum Tode nicht nur einholt, sondern sie überholt im freien Glauben Christi, dass Gott ihn, den ganzen Menschen – mit seinen Brüdern, mit Geschichte und Kosmos – ins Heile heben wird am „dritten Tag“.
„Solcher Glaube, der die Gnade ist, die Gott selber ist, und die Tat des ganzen Menschen, die außerhalb ihrer nichts mehr hat, von woher er bestimmt und aufgebaut werden könnte, kann nur vom Betenden getan werden. Denn nur darin ist der ganze Mensch da und unmittelbar vor Gott…Aber der Priester muss der betende Priester sein, wenn er der Glaubende und der Bote des Glaubens sein will. Wo seine Theologie nicht insofern wenigstens eine ‚kniende Theologie‘ wäre, als sie die Theologie eines Beters ist, wo sie stattdessen in einen intellektualistischen Betrieb entarten würde, dem es nur um die Probleme als solche geht, die man fast sadistisch der Kirche vorhält, statt sich selber ernsthaft um eine Lösung zu bemühen, da würde eine solche Theologie aufhören, Theologie zu sein und zu spätbourgeoiser unverbindlicher Wichtigtuerei entarten. Wir müssen Priester sein, die beten, die betend die Finsternis des Lebens aushalten, selbst wenn ihr Gebet Teilnahme an der Ölbergsangst Jesu und am Gebet des Gottverlassenen am Kreuz ist. Nur so werden wir d i e Glaubenden sein können, wie sie heute sein müssen, soll es sie überhaupt noch geben. Jesus hat auch seine Apostel gefragt: ‚Wollt auch ihr gehen?‘ Auch bei den Aposteln hat er mit dieser äußersten, tödlichen Möglichkeit hart gerechnet. Wundert es uns, wenn auch wir Priester ernsthaft und nicht nur ‚pro forma‘ so gefragt werden durch unsere Zeit und durch unseren Beruf, der uns nie erlaubt, diese äußerste Frage zu vertagen? Die Gnade Gottes hat damals gewährt, dass auf diese Frage die Antwort gegeben wurde, die den ganzen Glauben des Christentums und auch die letzte Glaubensbegründung enthält: ‚Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist.‘ (Joh. 6, 68 f). Unser Leben als Christen und Priester ist in diesem Satz versammelt.
„Wenn man mich fragen würde, was ich am meisten in der Welt liebe, was mir das Kostbarste in der Welt ist, könnte ich wirklich nichts anderes sagen als: die Kirche! Allerdings, wenn man fragen würde, was das Vergänglichste in der Welt ist, was am meisten anders werden muss, müsste ich wiederum sagen: die Kirche! Warum liebe ich die Kirche über alles, was ich in der Welt habe? Deswegen, weil ich daran glaube, dass in dieser Kirche mit all ihren Mängeln, mit all ihrer Not, mit all ihren Vorläufigkeiten, mit all dem, was anders sein könnte an ihr, Gott zur Menschheit steht. Und wenn ich alle Menschen liebe, dann muss ich gerade, wenn es mir um die Menschen geht, die Kirche lieben. Denn Kirche ist nichts anderes als das Zeichen dafür, dass Gott Menschen, wie sie sind, in ihrer Armseligkeit, in ihrem Nichts, in ihrer Vorläufigkeit und Relativität angenommen und ernstgenommen hat. Mein Ja zu allen Menschen ist also dadurch real und wirklich, dass ich sie hineinstelle in dieses Ja Gottes, in sein Handeln, in seine Gnade, in sein Erbarmen mit den Menschen.“
„Dann verbleibt eine nie endende und tief empfundene Dankbarkeit zu jener unsichtbaren Kirche, die besteht aus all den vielen, die in ihrem Leben und mit ihrem Leben standen und einstanden für ihren Glauben an die Botschaft Jesu, ein Reich Gottes sei möglich inmitten dieser Welt. Durch ihren Einsatz, ihre Unbeirrbarkeit, durch ihren Mut und ihre Treue ging Jesu Zeugnis weiter, und jeder, der es auf sich nimmt, erkennt in ihnen seine wahren Brüder, seine wahren Schwestern wieder. Es gibt sie doch, jene Gemeinschaft aller Heiligen, der wir in aller Unvollkommenheit, doch voller Sehnsucht bewundernd und bestärkt entgegenwandern, von ihr getragen und verlockt in dem Gebet, das Jesus seine Jünger lehrte: Unser Vater, himmlischer du, was du bist, das gelte, was du wirkst, das komme, was du willst, geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. (Mt 6,9.10)“
„Wir sollen das Schiff verlassen; wir sollen hinaus…Und wenn unser Herz doch versagen würde im Tosen des Sturms und vor den Abgründen zu unseren Füßen…wäre das nicht doch besser, als auf dem Schiff zu bleiben? Denn auf dieser Überfahrt wird ein jeder einzelne angerufen und ein jeder soll, sobald der das Wort vernimmt, hinaustreten auf die Wellen. Diese Freiheit ist unser; alles andere ist Gottes…Jahrtausendelang treiben Schiffe vorüber… Wir wissen nicht, was mit denen geschah, die dem Ruf nicht folgten, an welches Ufer sie getrieben wurden und was dort mit ihnen geschah…Wir wissen nur, dass in dem Gehorsam gegen das Gebot, auf die Wellen zu treten, der Sinn der Zeiten und des Lebens beschlossen ist.“