Wochenimpuls Februar 2025-4
Heiliges Jahr
Ein vorläufig letzter Gedanke zum Heiligen Jahr der Hoffnung beschließt den Monat Februar. Bei allen gesellschaftlichen Fragen um unsere Zukunft, bei all den Hoffnungsperspektiven oder auch den ‚düsteren Aussichten‘ treibt mich eine Frage um: Wie sieht es mit den Kirchen der Christenheit aus? Schon ihre Uneinigkeit könnte einer pessimistischen Stimmung das Wort reden. Dem würde ich allerdings vehement widersprechen, denn vielleicht sind die unterschiedlichen Ausprägungen eher ein Zeichen der Vielfalt, des Reichtums? Dies umso mehr, als man sich in grundsätzlichen Fragen längst einig ist. Es ist kein Zufall, dass alle christlichen Kirchen ein- und dasselbe Glaubensbekenntnis sprechen. Und ich denke, gerade im Jahr der Hoffnung sollten wir nicht die Unterschiede und die Abgrenzungen betonen. Viel näher an der Realität ist doch die Wahrnehmung einer ‚versöhnten Vielfalt‘ in der Ökumene.
Es ist nicht meine Absicht, Missbrauch und Missstände klein zu reden. Doch auch hier müssen die Maßstäbe nicht selten (wieder) zurechtgerückt werden, denn auch gegenüber der Kirche gilt das Wort: Was hast du, dass du nicht empfangen hast?
Dankbarkeit und Liebe
Gibt es so etwas wie Dankbarkeit, ja Liebe gegenüber der Kirche? Die Antwort ist eindeutig und klar: Ja! Ich rufe dazu zwei Autoren in den Zeugenstand, die in ihrer Haltung zur Institution Kirche unterschiedlicher nicht sein könnten: Der eine von ihnen, Klaus Hemmerle, war ein allseits beliebter Bischof im 20. Jahrhundert, der andere, Eugen Drewermann, trat aus der Kirche aus anlässlich seines 65. Geburtstages mit der Bemerkung, dass er sich damit das größte Geschenk der Freiheit selbst gemacht habe.
Hören wir zunächst Klaus Hemmerle zu:
„Wenn man mich fragen würde, was ich am meisten in der Welt liebe, was mir das Kostbarste in der Welt ist, könnte ich wirklich nichts anderes sagen als: die Kirche! Allerdings, wenn man fragen würde, was das Vergänglichste in der Welt ist, was am meisten anders werden muss, müsste ich wiederum sagen: die Kirche! Warum liebe ich die Kirche über alles, was ich in der Welt habe? Deswegen, weil ich daran glaube, dass in dieser Kirche mit all ihren Mängeln, mit all ihrer Not, mit all ihren Vorläufigkeiten, mit all dem, was anders sein könnte an ihr, Gott zur Menschheit steht. Und wenn ich alle Menschen liebe, dann muss ich gerade, wenn es mir um die Menschen geht, die Kirche lieben. Denn Kirche ist nichts anderes als das Zeichen dafür, dass Gott Menschen, wie sie sind, in ihrer Armseligkeit, in ihrem Nichts, in ihrer Vorläufigkeit und Relativität angenommen und ernstgenommen hat. Mein Ja zu allen Menschen ist also dadurch real und wirklich, dass ich sie hineinstelle in dieses Ja Gottes, in sein Handeln, in seine Gnade, in sein Erbarmen mit den Menschen.“ [1]
Und welch eine Sprache der Sehnsucht erreicht uns aus den Zeilen von Eugen Drewermann:
„Dann verbleibt eine nie endende und tief empfundene Dankbarkeit zu jener <<unsichtbaren Kirche>>, die besteht aus all den vielen, die in ihrem Leben und mit ihrem Leben standen und einstanden für ihren Glauben an die Botschaft Jesu, ein Reich Gottes sei möglich inmitten dieser Welt. Durch ihren Einsatz, ihre Unbeirrbarkeit, durch ihren Mut und ihre Treue ging Jesu Zeugnis weiter, und jeder, der es auf sich nimmt, erkennt in ihnen seine wahren Brüder, seine wahren Schwestern wieder. Es gibt sie doch, jene Gemeinschaft <<aller Heiligen>>, der wir in aller Unvollkommenheit, doch voller Sehnsucht bewundernd und bestärkt entgegenwandern, von ihr getragen und verlockt in dem Gebet, das Jesus seine Jünger lehrte: <<Unser Vater, himmlischer du, was du bist, das gelte, was du wirkst, das komme, was du willst, geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.>> (Mt 6,9.10) [2]
[1] Aus Klaus Hemmerle „Gottes Zeit – unsere Zeit“, München 1995, S. 166 – ursprünglich aus „Im Konkurrenzkampf der Weltanschauungen“, 38 f
[2] Eugen Drewermann „Wendepunkte“, Ostfildern 2014, S.326
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