Bezugnahme auf den Beitrag in der SVZ vom 26.09.2025, Seite 4 „Der AfD ist nur mit demokratischen Mitteln beizukommen.“
Zunächst: Unumstritten ist die Tatsache, dass nur die demokratische Auseinandersetzung mit Argumenten zielführend ist. In vielerlei Hinsicht kann ich Herrn Kords zustimmen, denn auch ich sehe viele Enttäuschte ob der geringen Renten, der Erfahrung, dass sich Arbeit – auch Lebensarbeit – nicht lohnt, dass es Menschen gibt, die viel Geld bekommen und nicht in die Sozialsysteme einzahlen, dass Menschen misstrauisch werden, wenn vor der Wahl viel versprochen wird, dass dann doch nicht eingehalten wird, wenn Solidarität nur für diejenigen gilt, denen man das gar nicht extra sagen muss usw. Doch der Beitrag greift (viel) zu kurz. Vieles, was gesagt wurde, muss – und zwar rasch – im System verändert werden. Und manch‘ kluges Sachargument, das gar nicht abhängig ist von einem ‚Parteibuch‘, mag auch von einem Mitglied oder Sympathisanten der AfD geäußert werden. Entscheidend ist dabei doch die Frage, ob die Auseinandersetzung im oder um das gesellschaftliche Gemeinwesen geführt wird.
Ist der Eindruck falsch, dass es der AfD programmatisch nicht um Änderungen im gesellschaftlichen Miteinander geht, sondern um die demokratische Ordnung selbst, die man abschaffen möchte? Ob Linksradikalismus, Rechtsradikalismus oder Islamismus – alle eint die Verachtung der bürgerlichen Demokratie. Sie wird verächtlich gemacht, als zu ‚schwach‘, der auszuhandelnde Kompromiss, als mit ‚männlicher Ehre‘ unvereinbar abgelehnt, als ‚Schwatzbude‘ verlacht oder als zu überwindende Stufe im gesellschaftlichen Prozess betrachtet. Ja, ich werfe auch den so genannten etablierten Parteien vor, dass sie diese Zusammenhänge weder ausreichend an- und aussprechen noch sich mit der AfD auf dieser Ebene auseinandersetzen. Dass sie diese Gruppierung nicht stellen bei der Frage, wie sie es hält mit den universellen Menschenrechten und der Menschenwürde und der Frage nach deren unhintergehbarem Fundament, wie sie es hält mit dem Kampf gegen Flüchtlingsursachen, die durch ein kapitalistisches System wesentlich bedingt sind und die Menschen in Heimatländern wenig oder keine Perspektive bieten. Wie sie es hält mit dem Umkehrschluss, dass nicht die Ursachen für Flucht und Ungleichheit angesprochen und bekämpft werden, sondern dass jene, die flüchten – auch weil sie zu Hause keine ausreichende Perspektive sehen – als Ursache von oft ‚hausgemachten‘ Problemen angesehen und diffamiert werden.
Dass Integration oft so schlecht gelingt, ist zunächst eine Anfrage an uns, was wir falsch gemacht haben. Und wer Parallelgesellschaften beklagt, die es zweifellos gibt, muss sich fragen, wie es dazu gekommen ist, wer das zugelassen hat, was getan oder unterlassen wurde, dass so ein Zustand eingetreten ist. Und was man mit demokratischen Mitteln tun kann, um diesen Zustand wirksam zu verändern. Und die AfD sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie Fakten schlicht leugnet, beispielsweise jene zum russischen Imperialismus, zu den menschengemachten Klimaveränderungen oder dass sie penetrant die Chancen verschweigt, die unserem Gemeinwesen entstehen und schon entstanden sind durch Menschen mit Migrationshintergrund.
Mich ärgert es auch sehr, dass offensichtlich zu viele Menschen in der Politik sind, scheinbar um ‚etwas zu werden‘ anstatt um wirklich etwas zu gestalten. Sonst sähe die Auseinandersetzung mit der AfD und dem Populismus anders aus. Vor über 90 (!) Jahren schrieb ein Autor in der Auseinandersetzung mit der NSDAP: „Die Wahrheitsfrage…wird ständig…abgelehnt…In Wirklichkeit ist es ein bloßes Nichtkönnen…wertloser religiöser Nihilismus.“ („Kirche in der Zeitenwende“, Kleineidam 1934)
So eine Form der Auseinandersetzung mit populistischen Strömungen wünsche ich mir – endlich!