Joseph Ratzinger schrieb einmal in „Wendezeit für Europa“ angesichts des Ausfalls des Religiösen im politischen Raum:

„Die Erfahrung der Unerlöstheit, der Entfremdung verstärkt sich, und die Erfüllung, die jenseits nicht sein kann und die von keiner Gnade geschenkt wird, muss nun in dieser Welt durch eigenes Handeln bewerkstelligt werden. Damit wird aber an die Politik eine Erwartung geknüpft, der sie nicht entsprechen kann. Die zur Politik gewordene Religion überfordert die Politik und wird damit zu einer Quelle der Desintegration des Menschen in der Gesellschaft.“
Der Interreligiöse Dialog in Schwerin
Das gedeihliche Miteinander in unserer Landeshauptstadt Schwerin. Ich kenne kein Dialogforum im Erzbistum Hamburg, zu dem die Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und der Landesteil Mecklenburg gehören, in dem so kontinuierlich Stadtverwaltung und auch Politik diese unsere Dialog- und Austauschrunde seit vielen Jahren begleiten. Und das Ergebnis ist eine große Stabilität, eine Kontinuität – auch und gerade in Zeiten, die wirkliche Zerreißproben sind, wie wir sie auch derzeit erleben. Wir haben in Schwerin jenen Beweis angetreten, den derzeit viele nicht antreten können: Den Beweis der Stabilität und auch des Aushaltens gegensätzlicher Meinungen – über viele Jahre hinweg.
Wenn heute, in der Landeshauptstadt Schwerin, die Vertreter der großen Weltreligionen gemeinsam mit- und füreinander beten, dann heißt das auch, dass niemand den eigenen Standpunkt zum „alleinseligmachenden“ erklärt. Dass heißt, dass der Nachbar neben mir die gleichen Rechte und die gleiche Würde hat wie ich sie für mich ganz selbstverständlich in Anspruch nehme. Dann heißt es, dass ich nicht durch Leistung oder Herkunft mir die Würde „erarbeite“ oder sie ableite, sondern sie ist mir geschenkt worden – jedem Menschen. Sie ist „hinterlegt“ – unwiderruflich und unbedingt – ob wir dafür einen religiösen Begriff haben oder keinen. Wichtig ist, dass wir darum wissen. Wichtiger, dass wir daraus und dafür leben. Denn:
„Zuletzt kann dem Menschen nur eine Antwort genügen, die den unendlichen Anspruch der Liebe einlöst.“