Stehen am Beckenrand

Das Dilemma der Kirchen(kritiker) oder das „Stehen am Beckenrand“.

Zum Leserbrief in der Schweriner Volkszeitung vom 05.05.2025 unter dem Titel: „Das Dilemma der Kirche“.

Mal spricht der Leserbriefautor von ‚den‘ Kirchen. Dann wieder von ‚der‘ Kirche. Man möchte meinen, einen optimistischen ‚Vorkämpfer für die Einheit der Christenheit‘ vor sich zu haben. Doch der Eindruck hält nicht lange, wenn man weiterliest, dass den Kirchen vorgeworfen wird, dass ihr eigene Rechte zugestanden werden. Dieser Vorwurf hat einen falschen Adressaten, es sei denn, man kritisiert, dass diese Rechte dann auch entsprechend von den Kirchen genutzt werden. Wesentlich ‚klarer‘ scheint hingegen die Aussage des Autors gegenüber der Kirche, dass „ihr zu Recht vorgeworfen (wird), gegen Hitler und sein Naziregime- bis auf wenige mutige Pastoren-geschwiegen zu haben“. Der Autor weiß auch, dass die Kirche nach dem II. Weltkrieg „lange gebraucht (hat), um sich zu dieser Schuld zu bekennen.“ Der Autor weiß vor allem um die Besonderheit der katholischen Kirche, die „immer wieder antiquiert dogmatische Positionen“ nutzt. Bei so viel Detailkenntnis kann der Rat an die Kirchen auch nicht verwundern: „Wer mitreden will, muss mit der Zeit gehen.“ 

Keine objektive Realität

Ob der Leserbriefautor das umfangreiche Werk „Priester vor Hitlers Tribunalen“ gelesen hat? Ob er die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ kennt oder das Wirken von Bischof Galen von Münster oder das Blutszeugnis der Lübecker Märtyrer? Die moderne Physik lehrt uns, dass es keine ‚objektive Realität‘ gibt, weil der Beobachter Teil dessen ist, was beobachtet wird. Man kann am Beckenrand stehen und einen Doktortitel erwerben, wie man am besten schwimmen lernt. Ein ausgezeichneter Schwimmer ist man allerdings erst, wenn man sich im Wasser entsprechend bewegt.

Ratschläge sind immer auch Schläge

Über Liebe kann man sicherlich, ähnlich wie beim Vertrauen und bei der Hoffnung, wunderschöne Worte finden. Aber Liebe lernt man erst kennen – wenn man liebt! Das Dilemma mancher Kirchenkritiker besteht darin, dass sie ‚von außen‘ etwas beurteilen, was nur im Engagement zu bewerten ist. Ein zweites Dilemma ist die Perspektive: Man kann jemandem im geschützten Raum sagen, was u. U. zu verbessern ist. Und ihm dabei helfen. Man kann den gleichen Sachverhalt auch nutzen, um den anderen bloßzustellen. Die beste Möglichkeit konstruktiver Kirchenkritik ist nicht das ‚Stehen am Beckenrand‘ und das Erteilen wohlfeiler Ratschläge – die immer auch Schläge sind – sondern das engagierte Mittun in den Kirchgemeinden. 

Bild von Dominique auf Pixabay

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