Wie es ist, die Leinen loszumachen … und zu vertrauen
Ein Text von Stefanie Niß an Rudolf Hubert zum Abschied aus dem Arbeitskreis „Begegnungsräume“
Eben war da noch Land, das Altbekannte, der feste Boden unter den Füßen. Wege, die dir vertraut waren, zum Teil sehr eingetreten, aber immerhin.. verlaufen hast du Du kennst hier jede Tür, viele Gesichter, die Aussicht aus dem Fenster, die Risse in der Wand, den Klang deiner Füße auf dem Linoleumboden und irgendwie fühlt sich das alles kleiner an als vor ein paar Jahren.
Eben war da noch Land und nun liegt vor dir nur noch der weite Horizont. Und das Meer. Endlose Weiten, überall nur Wasser, egal wohin du schaust. Wo ist eigentlich Norden? Und willst du da überhaupt hin? Was ist, wenn dir der Norden gar nicht gefällt, kannst du dann einfach weiter nach Süden? Irgendwer sagte mal, den Osten, den musst du gesehen haben. Oder ist der Westen die bessere Wahl?
Du und dein Boot, diese kleine, zerbrechliche Nussschale. Und die Wellen. Du weißt gar nicht, ob die so harmlos sind. Wird das Boot halten? Kann es einem Sturm und den Wellen standhalten? Du und die vielen, vielen Fragezeichen. Die hocken überall im Boot und halten einfach nicht die Klappe.
Wohin? Mit wem? Wen lasse ich hinter mir? Will ich mich noch einmal umdrehen? Werde ich vermisst? Wie groß ist die Leerstelle, die ich hinterlasse? Wer malt sie bunt an?
Wie lange fahren wir? Wann sind wir endlich da? Wer wird dort warten? Wie wird es dort aussehen? Ist das Gras dort grüner? Das Essen lecker? Der Boden weicher? Wer hat mich ein Stück auf dem Weg begleitet? Wer hat mich bis dahin schon fallengelassen?
„Kehre um!“, sagt die Angst. „Leinen los!“, sagt das Vertrauen.
„Komm zurück, ich beschütze dich!“, lockt die Angst. „Ich lasse dich alles ausprobieren!“, sagt das Vertrauen.
„Du wirst fallen!“, mutmaßt die Angst. „Du wirst wieder aufstehen!“, erwidert das Vertrauen.
„Du wirst untergehen, noch kannst du zurück, bei mir bist du in Sicherheit!“, sagt die Angst. „Du wirst nie erfahren, was da hinten auf der anderen Seite auf dich wartet, wenn du nicht glaubst, dass du anderswo ankommen kannst.“, entgegnet das Vertrauen.
„Es wird schwierig!“, meint die Angst. „Du hast die Zuversicht, dass alles gut gehen kann!“, sagt das Vertrauen.
„Da ist niemand, der dich rettet!“, flüstert die Angst. „Hab‘ Vertrauen, Gott ist bei dir. Immer., flüstert das Vertrauen und pustet zärtlich in die Segel.