Wer will dieses Paradoxon auflösen? Geht das überhaupt, dass Gott im Dunkel wohnt, dass er das sogar will?
Ich möchte ganz einfach persönlich dazu Stellung nehmen. Denn so eine Frage bedarf einer existentiellen Antwort. Ich traue mir dieses Glaubenszeugnis zu nach mehr als 45 Dienstjahren bei der Caritas, die ich zum Jahresende aus Altersgründen verlassen werde. Und weiß Gott, es war nicht immer einfach.
Brauchen die Menschen deine Hilfe?
Wie oft denke ich zurück an Zeiten, in denen ich in Ausschüssen saß um mit Partnerinnen und Partnern einen fairen Interessensausgleich auszuhandeln, wenn es um Fördermittel ging, um ‚Marktanteile‘ bei Angeboten im Jugend- und Sozialbereich oder um Entgelte, die auskömmlich sind, um Dienste gut leisten zu können mit wunderbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Mir fällt in diesem Zusammenhang eine Episode ein, die mich persönlich geprägt hat bis heute. In der ‚wilden Zeit‘ unmittelbar nach der gesellschaftlichen Wende in unserem Land Anfang der 90iger Jahre, bat mich eine Elterninitiative, die sich einsetzte für Menschen mit Beeinträchtigungen, ob ich eine Gründungsversammlung leite für einen Verein, der nicht Caritas heißt. Natürlich ist das heute ein Unding, schon aus Satzungsgründen. Aber damals, wo es noch keine festen Strukturen, auch nicht in der Wohlfahrtspflege, gab? Mir sagten diese lieben Menschen, mit denen ich durch so manches Tal der Tränen gegangen bin, sie könnten das doch nicht, eine so große Gruppe moderieren und eine Sitzung leiten zu Satzungsfragen u. ä. Ich habe in meiner Not meinen damaligen Chef gefragt, was ich machen soll. Nach kurzer Bedenkzeit kam seine Antwort, für die ich heute noch dankbar bin: „Brauchen die Menschen deine Hilfe, ja oder nein?“ Ich sagte darauf ja, denn sonst wären sie doch nicht zu mir gekommen. Darauf seine Erwiderung: „Ja, und – warum fragst du mich? Sind wir als Caritas nicht dazu da, um zu helfen?“
Wie ist dein Name?
Wenn ich auf meinen Dienst in der Caritas schaue, habe ich eines dankbar immer wieder erleben dürfen. Es ist etwas, das ich als DAS jüdisch-christliche Erbe betrachte, das trägt- immer und überall! Es ist DIE Gotteserfahrung, die Mose am Gottesberg zuteilwurde, als er Gott nach seinem Namen fragte: Wer bist du, GOTT? Wie ist dein Name? Das Volk, das ich aus Sklaverei führen soll, wird mich fragen, wer mich legitimiert. Alle Götter haben Namen, welcher ist deiner? SEINE Antwort, die Mose getragen hat, die auch mich begleitet hat in meinem Leben:
„Das einzige, was du wissen musst, ist eine Tatsache, die du immer neu erfahren kannst: Es wird in deinem Leben kein Augenblick sein, da ich nicht bei dir bin… Je nachdem, wie du selber dich verhältst und in welch einer Lage du dich findest, werde ich ganz unterschiedlich dir erscheinen. Niemals aber wird eine Situation eintreten, in der ich nicht da wäre. Denn das bin ich dir wesentlich: jemand, der da ist als dein Beistand.“
Ich bin der, der sich nicht selbst gehört
Der für mich wichtigste Glaubenshelfer hat vor über 80 Jahren diese Gotteserfahrung zu einem Gebet gemacht:
„Was habe ich also anders dir von dir zu sagen, als dass du der bist, ohne den ich nicht sein kann…und wenn ich das von dir sage, dann habe ich mir meinen wahren Namen gegeben… Ich bin der, der sich nicht selbst gehört, sondern dir. Mehr weiß ich nicht von mir, mehr nicht von dir – Du -, Gott meines Lebens, Unendlichkeit meiner Endlichkeit.“