„Christlicher Glaube lebt davon, dass es nicht bloß objektiven Sinn gibt, sondern dass dieser Sinn mich kennt und liebt, dass ich mich ihm anvertrauen kann mit der Gebärde des Kindes, dass im Du der Mutter all seine Fragen geborgen weiß.“
„Christsein heißt: die Liebe haben; es heißt: die kopernikanische Wende des Daseins vollziehen, in der wir aufhören, uns selber zum Weltenmittelpunkt zu machen und die anderen sich nur um uns drehen zu lassen…Wer von uns muss nicht zugeben, dass er mehr oder weniger in der vorkopernikanischen Illusion lebt und die anderen nur in ihrer Beziehung zu eigenen Ich betrachtet und realisiert? …An dieser Stelle setzt der Glaube ein… Glauben heißt letztlich gar nichts anderes als zugeben, dass wir ein solches Defizit haben, es heißt, die Hand aufmachen und sich beschenken lassen. In seiner einfachsten und innersten Form ist der Glaube nichts anderes als jener Punkt in der Liebe, an dem wir erkennen, dass wir auch selbst nötig haben, beschenkt zu werden. Glaube ist so jener Punkt in der Liebe, der sie erst als Liebe wirklich ausweist, er besteht darin, dass wir die Selbstgefälligkeit und Selbstzufriedenheit dessen überwinden, der sich genug ist…Insofern ist Glaube in der wahren Liebe mit anwesend; er ist einfach jenes Moment an der Liebe, das sie wahrhaft zu sich selbst führt: die Offenheit dessen, der nicht auf seinem eigenen Können besteht, sondern sich als Beschenkten und als Bedürftigen weiß.“
Die Texte entstammen dem Jahreslesebuch von Benedikt XVI. / Joseph Ratzinger „Berührt vom Unsichtbaren“, Freiburg-Basel-Wien 2005; hier konkret S. 203-206 – Interessant ist, dass dieses Buch bereits zur Jahrtausendwende herausgegeben wurde. Als Papst hat Benedikt XVI. es für sinnvoll erachtet, im Jahr 2005 eine Neuausgabe vorzunehmen.
Mein persönliches Fazit hierzu: Wer dieses Buch täglich im Jahresverlauf meditiert, kommt nicht nur in das Denken dieses großen Theologen hinein. Er hat Ratzingers/Benedikts Denken ‚in nuce‘ vor sich.