Wochenimpuls März 2025-5
Unser Glaube ist fragwürdig, d. h. auch, er ist einer Frage würdig. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
„Bekanntlich hat der Theoretiker des Positivismus, Auguste Comte, das Verbot aufgestellt, unbeantwortbare Fragen – wie das zu Ende gegangene Zeitalter der Philosophie sie stellt – weiterhin zu beachten, und verlangt, nur noch solche zu stellen, die im Zeitalter der Wissenschaften von diesen beantwortet werden können.“
Scheinbare Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen und offensichtliche Plausibilitäten zu irritieren – das alles kann wirksam helfen, den Horizont unseres Fragens und Hoffens, unserer Sehnsucht offen zu halten. Karl Rahner nannte dies die „Öffnung des Herzens“ [1]. Sie ist zwingend erforderlich, wenn man den Glauben nicht als einfallslose ‚Gefühlsduselei’ auffasst:
„Man sagt, es sei eigentlich die wahre Größe des Menschen, verzweifelt zu sein. Nur ein Verzweifelter, der mit allem fertig geworden und hinter alles gekommen sei und gemerkt habe, dass hinter allem – nichts sei, sei der eigentliche, der wahre Mensch…Es kann sein, dass solche illusionslose Erkenntnis der Anfang des Heiles ist, dass solche Menschen nicht mehr fern vom Reiche Gottes sind. Dann nämlich, wenn sie wirklich so verzweifelt sind, dass sie – nicht ihre Verzweiflung zu ihrem perversen Stolz machen und sich nicht einbilden (mehr ist es dann auch nicht), aus eigener Kraft die verzweifelte Leere zu sein, sondern lieber aus der Gnade eines anderen (des einen anderen) die geschenkte Fülle zu sein bereit sind.“
Mir haben gerade die letzten Zeilen sehr geholfen, nachzuvollziehen, dass es bei der Frage nach GOTT ganz wesentlich und primär um keine Lehre, um keine Doktrin, um keine Begrifflichkeit geht. Es geht bei der Gottesfrage um ein ganzheitliches Erleben, um eine Erfahrung, um einen Lebensvollzug, um eine Sehnsucht, die Dorothee Sölle mit einem Buchtitel umschrieb: „Es muss doch mehr als alles geben.“
[1] „Beten mit Karl Rahner“, Freiburg-Basel-Wien 2004, Band 1 „Von der Not und dem Segen des Gebetes“ – mit einer Einführung von Rudolf Hubert und Roman A.Siebenrock, S. 47 ff – auch in SW 7, 40 ff
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