Wochenimpuls Weihnachten 2025-2
A:
Unser „Großes Glaubensbekenntnis“ sagt viel über die Menschwerdung Gottes. „Gezeugt, nicht geschaffen“, „Aus dem Vater geboren vor der Zeit“, „Fleisch geworden durch den Heiligen Geist“. Verstehen Sie, was das alles aussagen soll?
B:
Das Geheimnis der Menschwerdung Gottes ist so tief, dass niemand es ergründen und vollständig verstehen kann. Aber es ist nicht etwas, das total unverständlich ist, etwas, wozu es überhaupt keinen Zugang gibt. Es gibt Zugänge zu diesem Geheimnis, das als Geheimnis bleibt. Aber als ein Geheimnis als absolut liebendes Geheimnis, das uns umgibt, uns trägt und SICH SELBST UNS SCHENKT. Die letzte Formulierung ist so recht weihnachtlich: Wir feiern eine Liebesgeschichte, nämlich die Geschichte Gottes mit uns. Er will uns unendlich nahe sein, in seinem Sohn und in seinem Geist. Weil er SICH SELBER VERSCHENKT, können wir Weihnachten feiern.
A:
„Veni redemptor gentium“, Komm Erlöser der Heiden! So heißt es im ältesten Weihnachtslied, bei Ambrosius von Mailand. Wie steht es mit den Heiden von heute? Werden die Heiden erlöst? Müssen sie erst Christen werden?
B:
Ich glaube, überall dort, wo Gutes geschieht, ist Gottes Liebe im Vollzug. Das ist das Einzige, was zählt und was bleibt. Viele Menschen werden sich nicht zurecht finden in den ‚geschichtsgesättigten‘ Glaubensformeln der Kirchensprache. Und unsere Riten erfordern ein behutsames Hineinwachsen. Wir sollten als Christen unseren Glauben so überzeugend und attraktiv leben, dass ‚Heiden‘ auf uns neugierig werden. Wenn sie dann uns nach dem Grund der Hoffnung fragen, sollten wir mehr können als das Rezitieren althergebrachter Sprachspiele. Wir sollten sie mitnehmen, hineinnehmen in das Leben des Glaubens. Glauben kann man nur in der Gemeinschaft der Gläubigen, im Mit-Leben erlernen. Wichtig scheint mir dabei auch – und darum scheint mir heute Karl Rahner mit seinen Weihnachtsmeditationen so sehr wichtig: Bei allen Bemühungen um eine glaubwürdige Weitervermittlung unseres Glaubens darf die Weisheit der Kirche dabei nicht einfach „über Bord gehen“. Nur um sich vielleicht manch ‚Anstößiges‘ zu ersparen. Die kirchliche Tradition birgt so unendlich viel an geistlichem Reichtum, den es auch für heute zu erschließen gilt. Da kann man übrigens von Karl Rahner unendlich viel lernen.
A:
Wieviel Weihnachten steckt in jedem Menschen schon drin?
B:
Eigentlich sehr viel, denn Gott will das Heil eines jeden Menschen. Darum spricht er in SEINEM GEIST jeden Menschen an. Unsere Aufgabe als Kirche ist es, das oft „verschüttete Herz“ (Karl Rahner) gewissermaßen frei zu schaufeln. Wenn all das, was heute den Menschen in Beschlag nimmt – Information, Konsum, das Hasten von Event zu Event- einmal der Stille weicht, dann besteht vielleicht die Chance, dass auch der moderne Mensch spürt: Hinter allem Schönen scheint eine unendliche Verheißung auf. Und die tiefsten Nöte bezeugen gleichsam eine ‚andere Welt‘, in der „alle Tränen getrocknet sind“. Der Traum eines Menschen von der „Lebensfülle“ ist etwas, was wir an Weihnachten feiern. Gottes unendlich nahe Liebe in Gestalt eines kleinen Kindes ist die Verheißung, dass unsere Träume keine Fata Morgana sind.
A:
Was bedeutet „Geheimnis“? Führt das Wort nicht ins Nebulöse? Und weg vom realen Leben?
B:
Da muss ich erneut bei Karl Rahner Anleihe machen, der hierzu bleibend Gültiges gesagt hat:
„Das verständlich Gemachte gründet in der einzigen Selbstverständlichkeit des Geheimnisses. Wir sind daher schon immer mit ihm vertraut…Was ist dem Geist, der zu sich selbst gekommen ist …vertrauter und selbstverständlicher als das schweigende Fragen über alles schon Eroberte und Beherrschte hinaus?“ 1
Nur dieser Realismus hilft uns doch tatsächlich im realen Leben, weil es uns bewusst macht: Vieles ist schön, wunderbar, vieles scheint aber oft auch bedrängend, angstmachend. Vom absolut liebenden Geheimnis her dürfen wir hoffen, dass alles Schreckliche nur das vorletzte Wort ist und dass in allem Schönen schon der Glanz des „himmlischen Jerusalems“ aufleuchtet. Unser Glaube ist deshalb so relevant, weil er realistisch ist und uns vor himmelstürmender Euphorie ebenso bewahrt wie vor abgrundtiefer Verzweiflung oder einem fraglosen Dahindämmern in der Banalität des Immer und überall.
- Karl Rahner „Grundkurs des Glaubens“, SW 26, 28 ↩︎