Du hast uns geborgen

Wochenimpuls November 2025-4

In einem Gebet, mit dem Karl Rahner eine Meditation über den Glauben beschließt, spricht auch Rahner von der menschlichen Existenz, von unseren „Abgründen“, von selbstgeschaffenen, eigenen „Götzen“, vor denen wir schließlich und endlich „versteinern“. Er spricht vor allem davon, dass Gottes „Unermesslichkeit die grenzenlose Weite unseres Lebens“ ist. Darum kann uns nie etwas Endliches wirklich ausfüllen und endgültig zufriedenstellen. Nur darum ist – wie Augustinus es ausdrückt – „unser Herz unruhig, bis es ruhet in DIR“. Weil Gott SICH SELBER uns schenkt, weil er uns „unmittelbar“ zu IHM gemacht hat, weil diese Wirklichkeit uns im Mann aus Nazareth unwiderruflich verheißen und greifbar erschienen ist, darum sind wir im Glauben frei – frei von Ängsten, Sorgen und Nöten. 

Und auch hier gilt der Umkehrschluss: Wo wir in unserem Leben Menschen erleben, die einfach gut sind, die gleichsam implizit oder anonym all das praktizieren, was wir in kirchlicher Sprache als Glaube, Hoffnung und Liebe bezeichnen, wo also Menschen so frei (geworden) sind, dass wir an ihnen ablesen können, was unser Glaube meint und bezeugt – da ist Gott mit seiner Gnade „immer schon“ am Werk, da sprengt er jede– auch institutionelle – Enge und Kleingläubigkeit. Da stiftet er Hoffnung auf ein „Leben in Fülle“. So soll ein Gebet Karl Rahners am Monatsende und am Ende des Kirchenjahres Hoffnungstüren zwischen Himmel und Erde öffnen: 

„Gott, ewiges Geheimnis unseres Daseins, du hast uns befreit, indem deine eigene Unermesslichkeit die grenzenlose Weite unseres Lebens geworden ist. Du hast uns geborgen, indem du uns alles außer deiner eigenen Grenzenlosigkeit zu Vorläufigkeiten gemacht hast… indem du uns alle Götzen immer wieder zerstörst in uns und um uns herum, die wir anbeten wollen, an denen wir aber dann selbst versteinern… Wenn wir wirklich und ganz an dich glaubten als an den, der sich uns gegeben hat, dann wären wir wirklich frei. Du hast uns diesen Sieg verheißen, weil Jesus von Nazareth ihn im Tod errungen hat für sich und seine Brüder, indem er auch im Tod der Verlassenheit nochmals dich als Vater fand.“ 1


  1. Karl Rahner „Gebete des Lebens“, Freiburg-Basel-Wien 1984 (Neuausgabe 1993), S. 108f – SW 26, 506 ↩︎
Foto von Anne Nygård auf Unsplash

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