Über 60 Gäste erlebten beim Begegnungsnachmittag in Schwerin das jüdische Theater Rostock
Altstadt. Weit über 60 Gäste, Juden, Christen und Muslime, waren am vergangenen Sonntagnachmittag (27. Oktober 2024) zum traditionellen Begegnungsnachmittag der Religionen „Weißt du, wer ich bin?“ in das Bernhard-Schräder-Haus in die Schweriner Klosterstraße gekommen. Landesrabbiner Yuriy Kadnykov begrüßte alle sehr herzlich. Er freute sich über die große Anzahl der Teilnehmenden, unter ihnen auch Stephan Nolte, Stadtpräsident a.D. und stellvertretender Vorsitzender der Schweriner Bürgerstiftung.

Gotteserfahrung eint
In ihren Grußworten legten Vertreter der Religionen dar, wie wichtig ihnen Begegnung von Menschen unterschiedlicher Religionen sind.
Rudolf Hubert als Vertreter der katholischen Propsteigemeinde St. Anna nannte das biblische Bild vom brennenden Dornbusch, der nicht verbrennt ein Symbol für jene Gotteserfahrung, die alle Religionen eint: Gott ist nicht festzulegen, er relativiert alles, mag es sich noch so mächtig aufführen. Er ist in Hoffnung und Liebe als Beistand im Leben erfahrbar.
Friedensstifter – Beisammensein – Gerechtigkeit
Für die evangelischen Kirchen betonte Rainer Brunst die Aktualität des Wortes aus der Bergpredigt, dass die Friedensstifter selig zu preisen sind und solch eine Veranstaltung aktiv zum Friedenstiften beiträgt.
Haiko Hasan Hoffmann vom Islamischen Zentrum Schwerin e.V. wies ebenfalls auf die Wichtigkeit eines Beisammenseins in schwierigen Zeiten hin.
Die Vertreterin der orthodoxen Gemeinde ließ Grüße von Priester Dionisij ausrichten, dessen Wunsch und Wille ebenfalls darin besteht, alles zu tun, damit Friede in Gerechtigkeit möglich ist, überall auf der Welt.
Eine sehr zu Herzen gehende Aufführung
Höhepunkt des Nachmittags war eine Aufführung des jüdischen Theaters aus Rostock. Es widmete sich der Zeit um 1937, zwei Studenten auf der Flucht aus Deutschland, die sich in Wien zufälligerweise begegnen. Er und sie, die ein Paar werden. Er berichtet ihr von seinen Erfahrungen, die er fürs Durchkommen machte, dass er seine Lehrbücher fürs Überleben verkaufte. In Prag trifft er dann seinen Vater wieder, der schwer krank war, und bereit ist, sich von seiner Frau zu scheiden, damit sie ein besseres Leben hat. Dann trifft sich das Paar in Zürich wieder, wo kein angenehmes Klima für Flüchtlinge herrscht. Sie hat inzwischen auch ihre Lehrbücher verkauft. Gemeinsam gelingt die Flucht nach Paris, wo der junge Student einen alten Bekannten zufällig wieder trifft. Sie genießen die Momente scheinbar ungetrübten Glücks. Im Anschluss an die Darbietung bot die Theatergruppe Ausschnitte aus ihrem neuen Musical dar. Die Besucher erlebten eine sehr zu Herzen gehende Aufführung und dankten der Theatergruppe mit einem kräftigen Applaus. Sie waren sehr berührt und hatten zu tun, das Erlebte für sich zu verarbeiten. Die Frage im Stück, wann jemand seinen eigenen Tod bedenkt und was das für den Frieden bedeutet, konnte aktueller nicht sein.
Hasan Hoffmann hatte den Besuchern wiederum Kaligrafie angeboten, ihre Namen auf Arabisch und Hebräisch aufs Papier zu bringen.
Die Trägerschaft hatte in diesem Jahr die jüdische Gemeinde Schwerin, die sich auch um Organisation des Begegnungsnachmittags kümmerte. Teilnehmerinnen der Interkulturelle Begegnungsstätte für Frauen in Trägerschaft der Caritas kümmerten sich, in Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde, um eine geschmackvolle Mahlzeit. Man konnte die Vielfalt der Traditionen im wörtlichen Sinn schmecken. Die Veranstaltung wurde in diesem Jahr von der Schweriner Bürgerstiftung gefördert.

Der Nachmittag hinterließ bei allen Teilnehmenden einen nachhaltigen Eindruck, weil er deutlich gemacht hat: Inmitten von Kriegen und Verwüstungen gibt es die kleine Blume Hoffnung. An uns liegt es, dort, wo wir leben mit dafür zu sorgen, dass diese Blume nicht verdorrt, sondern in voller Pracht erblüht.
Rainer Brunst | Rudolf Hubert