„Bauanleitung… um den Turm zu Babel vielleicht doch noch zu vollenden“. 1 – Oder: Wie kann man heute (noch) von Gott sprechen?
Der Mensch heute weiß unendlich viel – vor allem weiß er auch, dass er noch so vieles nicht weiß. „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – diese alte philosophische Weisheit, die bekanntlich deren Ursprung und Quintessenz in einem ist, scheint allerdings eine Sackgasse zu sein angesichts heutiger Ergebnisse moderner Technik und Naturwissenschaften. Soeben höre bzw. sehe ich in einem Beitrag, dass künstliche Intelligenz in nicht allzu ferner Zukunft in der Lage sein wird, Träume aufzuzeichnen, weil deren Bilder exakt beschrieben werden können. Pflanzen, das weiß man heute, können in gewisser Weise ‚sehen‘. Was ist nicht alles möglich bei bildgebenden Verfahren in engem Zusammenwirken mit KI, der künstlichen Existenz? Was vor einigen Jahren in Genetik, Astronomie, Mikrophysik und Makrophysik, in Genetik und Neurologie undenkbar schien, ist heute Realität und wird morgen schon wieder überholt sein von den neuesten Forschungsergebnissen und Entdeckungen (noch) unbekannter Zusammenhänge.
Und was ist mit den Fragen der Religion?
Angesichts dieses atemberaubenden Siegeszuges von Naturwissenschaft und Technik sind Fragen der Religion fast so etwas wie Relikte aus längst vergangener Zeit. Erst recht gilt das für den dogmatischen Glauben der ‚Großkirchen‘, die längst nicht mehr dieser Bezeichnung gerecht zu werden imstande sind auf Grund immer größer werdender Austrittszahlen. Noch fataler scheint es allerdings zu sein, dass es offensichtlich nicht gelingt, dass eigentlich Religiöse, das, was zum Menschsein unbedingt dazugehört, das, was nach religiöser Auffassung den Menschen erst zum Menschen macht – sein Bezug auf eine absolut liebende Person – vermittelbar ist an die nachfolgenden Generationen. Ich spreche bewusst im Konjunktiv, denn ob das, was offensichtlich nicht zu gelingen scheint, tatsächlich nicht gelingt – das ist noch einmal eine Frage, auf die hier noch keine vorschnelle Antwort gegeben werden kann. Eine Antwort, wenn es denn eine gibt, wird sich erst bilden können nach einem Durchgang durch einige Antwort- und Lösungsversuche angesichts der Herausforderungen des Glaubens durch die Weltwirklichkeit.
Ein erster Fingerzeig auf eine mögliche Antwort kann zunächst der Hinweis sein, dass es zu allen Zeiten, so auch im vergangenen Jahrhundert, schon diese Fragen gab. Und dass es Denker gab, die ein entsprechendes Problembewusstsein entwickelt haben, die auch und in besonderer Weise Suchende waren. Zeitlebens. Und deren ‚Lösung‘ auf diese Fragen zwar nicht immer ‚glatt‘ aufging, die aber nicht im Fatalismus bestand.
Doch schauen wir genauer zu, zunächst bei Reinhold Schneider (1903 – 1958)
Schneider, der sich zeitlebens als Schriftsteller mit Fragen von Geschichte, Macht und Glauben beschäftigte, kommt am Ende seines Lebens zu einem Ausblick, der zunächst paradox anmutet:
„Wenn ich nicht mehr zurechtkomme mit dem, was um mich und in mir geschieht, so nehme ich Himmelsphotographien vor und die dazugehörenden Zahlen, Bilder der Milchstraße und Kugelhaufen, die kaum an ihren Rändern in ihre Sterne aufgelöst werden konnten, der wildbewegten, von Nacht durchzogenen Nebelwolken kosmischer Geburt und grenzenloser Leere. Wir haben uns an das Wort Lichtjahre gewöhnt und an sechs – oder siebenstellige Zahlen davor: aber wer ist imstande, den Raum sich vorzustellen, den das Licht in einem Tage, in einer Stunde durcheilt. Und dann steigen und sinken die grenzenlosen Nächte, und wir gehen unter in ihnen und dahin… Wir können nicht mehr aufblicken, wie der fromme Kepler: was uns durchschauert, ist erhabene Sinnlosigkeit, leblose, kreisende Feuer, willkürlich ausgeschleudert und zusammengeworfen, in all ihrer Gewalt unter der Übermacht der Nacht und dazwischen irrend an unscheinbarer Stelle diese unsere Zauberinsel des Lebens und Geistes, der Schuld und des Todes…wer wagt von einem Plan zu reden, der Weltharmonik, gegenüber diesem Treiben und Sich-Verlieren und Auseinandertreiben…Was hätte Kepler gesagt zu der Auffassung, dass Weltall – wie Lebensentfaltung – explosive Prozesse seien!…Wer kann sich dem Gefühl entziehen, besiegt zu sein und unterzugehen im Ozean funkenstiebender Nacht? Es ist Hybris, den Sinn in sich selbst zu finden, in personaler Geistigkeit, wie Pascal und Fichte das wollten. Es ist Vernichtung, es nicht zu tun. 2
Paradoxien
Es sind diese Paradoxien, die herausfordern, die Selbstverständlichkeiten und Plausibilitäten nachhaltig irritieren. Vor allem sind es die Bilder, die Schneider heranzieht, um seine Sicht und Erfahrung zu illustrieren: „erhabene Sinnlosigkeit, leblose, kreisende Feuer, willkürlich ausgeschleudert und zusammengeworfen“. Und dann das Fazit, das keines ist, sondern zum wiederholten Male in einem Widerspruch endet, der selbst eine einzige Frage ist. Eine Frage, die bleibt: „Es ist Hybris, den Sinn in sich selbst zu finden, in personaler Geistigkeit… Es ist Vernichtung, es nicht zu tun.“
Existenztiefe
Und der Glaube? Hat Schneider ihn gar verloren? Es gab Stimmen, die dieses schroffe Urteil fällten. Schneiders Glaube war jedoch vielmehr das Auskundschaften der „Existenztiefe“ (Karl Pfleger). Vielleicht war es seine Sendung, die Antinomien, die Gegensätze und Widersprüche der Entwicklungen in Natur, Geschichte und im menschlichen Wesen in besonderer Weise wahr – und ernst zu nehmen. Es war vielleicht auch deshalb seine Sendung, weil ihm in besonderer Weise die Fähigkeit zu eigen war, seinen Wahrnehmungen entsprechenden Ausdruck zu verleihen.
Zwischen Leben und Nichtleben
„Keine Vorstellung fordert mehr starr-konstruierende Phantasie als der radikale Materialismus: dass die Materie aus sich selbst im Archaikum oder Algonkium das Wunder eines Einzellers zwischen Leben und Nichtleben, einen Virus hervorgebracht habe, aus dem sich, im Schoße des Tropenmeeres Pflanzen und Tiere entwickelten, die sich, immer zwischen Tod und Leben, ans Land wagten, sterbend und sich verwandelnd, bis sich der unsagbar komplizierte Organismus des Menschen, das Zusammenspiel des Gerüsts, des Gehirns und seines >steuernden> Anhangs, der Organe, Gewebe, Nerven, Muskeln, Drüsen und ihrer Sekrete, von den Sinneswerkzeugen zu schweigen, aus diesem Ursprung hervorbildeten, ohne Führung einer höheren geistigen Wirkkraft: das zu glauben, ist viel schwerer als die Unterwerfung unter die Paradoxien, die tragischen Verheißungen des Christentums.“ 3
Dietrich Bonhoeffer (1906-1945)
Der noch im April des Jahres 1945 von den Nazis hingerichtete evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, hat den Glauben Reinhold Schneiders in einem einzigen Satz beschrieben, der auch heute von größter Bedeutung ist. Er ist deshalb so bedeutsam, weil Glaube heute vielfach ein angefochtener Glaube ist. Ein Glaube, der in Frage steht, der keinerlei traditionelle oder soziologische ‚Stützelemente‘ (mehr) hat. Ein Glaube, der selbst Fragen stellt, der oft nur eine einzige Frage i s t, statt (vorschnelle und voreilige) Antworten parat zu haben. Vielleicht ist dieser Satz Bonhoeffers auch deshalb so wichtig, weil er vielleicht das Wesen jedes Glaubens beschreibt. Weil er deutlich machen kann, dass es sich gar nicht wirklich um ‚Glauben‘ handelt, wenn vieles allzu sicher behauptet wird. Wenn das Leben mit seinen Herausforderungen als klar, sicher, ‚handhabbar‘ ausgegeben wird.
„Von Gott nicht mehr loskommen können, das ist die dauernde Beunruhigung jedes christlichen Lebens.“ 4
Einladung zum Wagnis des Glaubens
„Von Gott nicht mehr loskommen können, das ist die dauernde Beunruhigung jedes christlichen Lebens.“ – diese Aussage soll als Motto über die nachfolgenden Gedanken und Überlegungen zu Fragen des Glaubens stehen, die Karl Rahner, Eugen Drewermann, Hans Urs von Balthasar und Hoimar von Ditfurth sich gemacht haben. Ihre Aussagen, Gedanken und Hinweise sind im Letzten eine einzige Einladung. Eine Einladung, sich auf das Wagnis des Glaubens einzulassen. Eines Glaubens, der eines auch immer ist: Eine Beunruhigung! Doch dieses Wagnis des Glaubens einzugehen, ist allein schon deshalb lohnend, weil Fragen des Glaubens immer Fragen des Lebens sind! Darum sind Fragen des Glaubens immer auch daran zu erkennen, ob und wie sie den Reichtum des Lebens erschließen. Ob und wie sie die Tiefe der Hoffnung und die Sinnhaftigkeit der Liebe und des Vertrauens begründen und eröffnen.
Beginnen wir mit Karl Rahner (1904-1984)
„Kann ich nicht sagen, dass ich recht habe, wenn ich mich an das Licht halte, auch wenn es klein ist, und nicht an die Finsternis, an die Seligkeit, und nicht an die höllische Qual meines Daseins? Wenn ich die Argumente des Daseins gegen das Christentum annehmen würde, was böten sie mir, um zu existieren? Die Tapferkeit der Ehrlichkeit und die Herrlichkeit der Entschlossenheit, der Absurdität des Daseins mich zu stellen? Aber kann man diese als groß, als verpflichtend, als herrlich annehmen, ohne schon wieder…gesagt zu haben, dass es ein Herrliches und Würdiges gibt? Aber wie sollte es dies geben im Abgrund absoluter Leere und Absurdität? Und wer tapfer das Leben annimmt, der hat schon …Gott angenommen…der diese Unendlichkeit der Leere als das Geheimnis, das der Mensch ist, zu erfüllen beschlossen hat mit der Unendlichkeit seiner Fülle…Wenn das Christentum die mit absolutem Optimismus geschehende Inbesitznahme des Geheimnisses des Menschen ist, welchen Grund sollte ich dann haben, kein Christ zu sein?“ 5
„Es bleibt dem Menschen letztlich keine Wahl: er versteht sich letztlich als platte Leere, hinter die man kommt, um mit dem zynischen Lachen des Verdammten zu merken, dass nichts dahinter ist, oder – da er selber sicher nicht die Fülle ist, die beruhigt in sich ruhen könnte – er wird gefunden von der Unendlichkeit und wird so, was er ist, der, der nicht dahinterkommt, weil das Endliche nur in die unumgreifbare Fülle Gottes hinein überstiegen werden kann.“6
Ein ewig grausames Rätsel
„Von uns her und für uns allein sind wir ein Rätsel, von uns allein her ein ewig grausames Rätsel, das tödlich ist…Von uns aus wären wir nur wie ein kleiner Punkt Licht in einer grenzenlosen Finsternis, der nichts könnte, als die Finsternis noch schrecklicher machen, wären wir eine Rechnung, die nicht aufgeht: verstoßen in die Zeit, die alles zerrinnen lässt, ins Dasein gezwungen, ohne gefragt zu sein, beladen mit Mühsal und Enttäuschung, sich selbst zur Qual und Strafe durch die eigene Schuld, beginnend den Tod zu leiden im Augenblick, da man geboren wird, ungesichert und gejagt, sich kindisch über all das hinwegtäuschend mit dem, was man die guten Seiten des Lebens nennt, die so aber in Wahrheit nichts wären als das raffinierte Mittel, das dafür sorgt, dass das Martyrium und die Tortur des Lebens nicht zu schnell endet…Dass die Unendlichkeit Gottes die menschliche Enge, die Seligkeit die tödliche Trauer der Erde, das Leben den Tod annahm, das ist die unwahrscheinlichste Wahrheit. Aber sie nur – dieses finstere Licht des Glaubens – macht unsere Nächte hell, sie allein macht heilige Nächte.“ 7
Die eine Frage
„Das Christentum stellt also dem Menschen die eine Frage, wie er sich im Grunde verstehen wolle: ob als handelndes Wesen nur im Ganzen, das mit dem Ganzen als solches nichts zu tun hat…oder als empfangend – handelndes Wesen des Ganzen, das es auch mit dieser Bedingung seines Erkennens, Handelns und Hoffens als solcher zu tun hat und im zukunftsschaffenden Handeln innerhalb des Ganzen dieses Ganze, die absolute Zukunft selbst auf sich zukommen, für sich selbst Ereignis werden lässt. Das ist im letzten die einzige Frage, die das Christentum stellt.“ 8
„Mit Gott, endgültiger Unmittelbarkeit zu ihm, Gnade und Jesus Christus ist …das Ganze der Heilswirklichkeit umgriffen…Da aber alle diese Worte nur das eine besagen, dass nämlich die Welt eine absolute Zukunft, und zwar wirklich als heile besitzt, dass ihr Werden erst in der Absolutheit Gottes selbst ihr Ziel hat, ist es berechtigt, wenn wir sagen, das Christentum sei die Religion der absoluten Zukunft.“ 9
„Ist nicht dieser ewige Sündenfall in der Geschichte der Philosophie, nicht nur im Gebiet des Erkennens, der Ausdruck dessen, was im Leben des unerlösten Menschen existentiell immer aufs Neue geschieht: Gott nur das sein zu lassen, was die Welt ist, Gott zu machen nach dem Bilde des Menschen…die Möglichkeiten des Menschen… zu bemessen… nach dem, was der Mensch selbst von sich aus …zu realisieren vermag?“ 10
Verpflichtende Sitte, verpflichtende Grundsätze des Denkens und Handelns
„Mitten im Innersten des bindungslos gewordenen, des kirchen – und dogmenfreien Menschen stand unversehens eine Gewalt auf, die den scheinbar ganz frei gewordenen Menschen bedrängte und verknechtete. In dem Maße, als er den äußeren Bindungen einer allgemein verpflichtenden Sitte, verpflichtender Grundsätze des Denkens und Handelns sich entzog, in dem Maße wurde er nicht eigentlich frei, sondern verfiel anderen Herrschaften, die von innen her ihn übermächtig überfielen: den Mächten des Triebes, den Mächten des Geltungsstrebens, des Machthungers, den Mächten der Geschlechtlichkeit und des Genusses und gleichzeitig den Ohnmächten der von innen her den Menschen aushöhlenden Sorge, der Lebensunsicherheit, des Sinnschwundes des Lebens, der Angst und der ausweglosen Enttäuschung…Er wollte ganz sich selbst entdecken und in sich die autonome Person von unantastbarer Würde – und hatte eigentlich nach aller Tiefenpsychologie und Psychotherapie und aller Existentialphilosophie und aller Anthropologie, in der sich alle Wissenschaften einfanden, um herauszubringen, was eigentlich der Mensch in seinen tiefsten Gründen und Untergründen sei, nur entdeckt, dass in den tiefsten Tiefen seines eigentlichen Wesens er eigentlich gar nicht – er sei, sondern ein unübersehbares, ungeheuerliches Chaos von allem und jedem, in dem der Mensch eigentlich nur so etwas ist wie ein sehr zufälliger Schnittpunkt dunkler, unpersönlicher Triebe…Weiß der Mensch von heute aus sich wirklich mehr von sich, als dass er eine Frage ist in eine grenzenlose Finsternis hinein, eine Frage, die nur weiß, dass die Last der Fragwürdigkeit bitterer ist, als dass der Mensch sie auf die Dauer erträgt?“11
Bedingungslose Hoffnung und Liebe
„Man hat schon immer gehofft und geliebt, wenigstens in Spuren und kleinen Ansätzen…man muss (was nicht erzwungen werden kann) diese schon erfahrene Hoffnung und Liebe… in Freiheit bis zum Letzten ihren Lauf lassen durch die immer neuen Anläufe unserer Lebenstat hindurch. Dann wird jene Sicherheit immer aufs neu erfahren…die der Tat der bedingungslosen Hoffnung und Liebe inwendig ist.“ 12
„Dem, der es fertigbrächte, sich ruhig, sicher und endgültig in der Alltäglichkeit friedlich zu verbarrikadieren, würde ich nichts zu sagen versuchen. Aber ich bezweifle, dass es Menschen gibt, denen das durch ihr ganzes Leben hindurch gelingt, und ich würde, wenn es einen solchen Menschen dennoch geben sollte, zwar nicht mit ihm diskutieren, aber diese tapfere und verantwortete Entschlossenheit, sich einer totalen Lebensfrage zu versagen, noch einmal für mich als eine anonyme Weise des Glaubens zu interpretieren versuchen…Faktisch erfahren wir uns als die durch dieses Geheimnis Angerufenen, als die, die den ungeheuerlichen Mut haben können und haben sollen, hoffend, liebend, betend dieser Unbegreiflichkeit Gottes als dem bergenden Geheimnis entgegen zu gehen. Wenn wir nicht vor diesem uns scheinbar tödlich überfordernden Geheimnis umkehren und weglaufen, sondern die unglaubliche Überzeugung uns abverlangen, dass dieses Geheimnis als es selber sich uns gibt und einmal selber unsere Vollendung sein wird, dann glauben wir. Dann nehmen wir den <<agnostos>> Gott, der der Grund unseres wahren Agnostizismus ist, als die wahre Erfüllung an.“ 13
Die entscheidende Frage
Wo die Frage nach dem Menschsein nicht verdrängt wird, hat die Antwort der Religion überhaupt erst eine Chance anzukommen. Denn nur sie lehrt uns, uns selbst und die Welt um uns und mit uns zuallererst als Geschenk zu begreifen. Und sie hat gute Gründe dafür. Einer davon ist, dass der Mensch
„sich auf die Dauer nicht anbeten kann, weil dieser Gott doch zu armselig ist.“ 14
Ein weiterer Zeuge des Glaubens, der sich dieser entscheidenden Frage widmet, ist
Eugen Drewermann (geb. 1940)
„Wie nötig wäre Religion. Wer, wenn nicht sie, könnte den Menschen sagen, dass sie mehr sind als Übergangsgebilde im Stoffwechselhaushalt der Natur, dass sie zu schade sind, um sich als Konsumenten und als Produzenten im Wirtschaftskreislauf dubioser Kapitalverwerter zu verschleißen…“. 15
„Feststeht, dass eine rein positivistische Geschichtsschreibung mit analytisch-kausalen Kategorien die Geschichte in einen sinnlosen Prozess verwandeln muss, innerhalb dessen alle Bedeutungen bloße Epiphänomene sind… Weder ist die Geschichte bloßes Schicksal (bloßer Prozess), reiner Determinismus, noch ist sie bloßer Plan, sie ist… das Ineinander von Plänen und Resultaten, von Finalitäten und Gegen-Finalitäten, von Freiheit und Entfremdung… Ohne die Freiheit des handelnden Menschen wäre die Entfremdung keine Entfremdung.“ 16
„Es ist einzig die Liebe, die uns lehrt, dass wir mehr sind als nur ein Teil der Natur. Nichts von all dem, was uns umgibt, beantwortet irgendeine wesentliche Frage unseres Lebens…. Die Erde ermöglicht uns, aber wir sind ihr gleichgültig. Und bliebe es nur dabei, müssten wir fast denken, dass sich die Natur erlaubt hätte, mit uns gewissermaßen Scherz zu treiben, indem sie Wesen hervorbringt, die immerzu Fragen ihren Köpfen haben, auf die sie nicht nur zu antworten sich weigert, sondern die sie mit ihren toten Gesetzen gar nicht beantworten kann… 17
Unsere individuelle Existenz
„Wir sagten, dass es völlig unzureichend ist, wenn ein Mensch erklären würde, dass er nichts weiter sei als das Kind seiner Eltern…. Er würde soziologisch ständig abhängig bleiben von seinem Milieu… Selbst wenn seine Eltern gewünscht hätten, dass ein Kind wie er geboren werden würde, ihn als Person hätten sie gar nicht wünschen können. Mit anderen Worten: Unsere individuelle Existenz ist das wirkliche Problem…Es gibt keine hinreichende Erklärung dafür, dass es mich in meiner Individualität gibt… Mit der Entstehung des menschlichen Bewusstseins riskiert die Evolution zum ersten Mal eine Lebensform, die an sie selber, an die Natur, Fragen richtet, die sie definitiv in ihrem eigenen Rahmen als Natur nicht beantworten kann. Sie schafft zum ersten Mal ein Lebewesen, das radikal sein Ungenügen findet in einer Natur, die zu allen Fragen, die wichtig sind, schweigen wird…“ 18
Die Gedanken Gottes denken?
„Manchmal tun die Physiker, Stephen Hawking etwa, tatsächlich so, als wenn sie die Gedanken Gottes denken könnten… Natürlich kann die Welt durch Zufall, durch Quantenvakuumfluktuation entstanden sein…Aber wie wir als Menschen darin leben, wird kein Naturwissenschaftler sagen. Auch und gerade der eingangs erwähnte Richard Dawkins kann nur sagen: Nach den Gesetzen, die ich als Biologe formuliere, möchte ich nicht, dass Menschen leben. Ja, aber wie kommen wir dann dazu, als Menschen zu leben? …Gott braucht keine Religion, und die Natur hat keine Religion. Aber nötig haben, um richtig menschlich zu leben, wir Menschen den Bezug zu Gott.“ 19
„Bewusstsein ist keine Substanz, sondern ein Prozess…ein Prozess, der im Gehirn für das Gehirn stattfindet, eine Rückkopplung auf sich selber.“ 20
Nicht zuständig!
„Menschsein bedeutet…, dass wir in ein Feld eintreten, dass die Neurologie zwar in ihren Mechanismen begründen kann, das aber eine Fülle von Fragen aufwirft, die damit überhaupt erst entstehen und von denen die Neurologie ganz simpel sagen muss: Das ist nicht unsere Zuständigkeit. Fragen nach Sinn können wir nicht neurologisch stellen, nach Liebe eigentlich auch nicht. Wir können zeigen, wie ein Bewusstsein arbeitet, das solche Fragen hat. Wir können auch zeigen, dass eine Neigung im Gehirn existiert, bestimmte Antworten zu entwerfen; mehr aber nicht…Mit der Entstehung des menschlichen Bewusstseins riskiert die Evolution zum ersten Mal eine Lebensform, die an sie selber, an die Natur, Fragen richtet, die sie definitiv in ihrem eigenen Rahmen als Natur nicht beantworten kann. Sie schafft zum ersten Mal ein Lebewesen, das radikal sein Ungenügen findet in einer Natur, die zu allen Fragen, die wichtig sind, schweigen wird…Alle Religion besteht darin, das Ungenügen an der Natur mit etwas aufzulösen, aus dem alles Dasein, die ganze Natur selber, ihre Ableitung und ihre Berechtigung erfährt… Wer zu der Überzeugung kommt, dass individuelles Leben an sich nicht wichtig ist…wer den Biologismus in die Sozialbetrachtung und in die Umgangsweisen mit Menschen einführt, der braucht im Grunde keinen Gott. Er wird aber dessen geständig sein müssen, dass die Anschauung, die er vertritt, sich weit entfernt von dem, was wir kulturell als menschlich bezeichnen. Was er betreibt, ist der Rückfall in die Barbarei mit zivilisierten Mitteln vielleicht, aber unterhalb des Menschseins. Mit einem Wort: Wir sind Menschen geworden, indem wir uns durch den langen Gang der kulturellen Evolution aus der Natur herausgelöst haben… Personsein ist überhaupt kein Vorgang, der in einem individuellen Gehirn zustande käme, sondern der sich zwischen den Gehirnen austauscht vermittels von Sprache. Person entsteht, indem ein Individuum ein anderes anredet als unverwechselbar, mit einem eigenen Namen, und wenn es umgekehrt sich zurückmeldet, indem es den Namen des anderen lernt. Jedes Kind wird auf diese Weise groß, und einzig dieser Weg führt dahin, sich als eine individuelle Person zu erleben. Von da an beginnen all die Fragen, auf welche die Natur keine Antworten mehr hat. Sie führen dahin, dass wir uns eine Macht vorstellen, die selber Person ist und die von Anfang an mit uns geredet hätte…Der Gedanke der Schöpfung stammt im Grunde aus der Unzufriedenheit mit dem, was wir als Weltwirklichkeit antreffen. Da ist eine riesige Diastase zwischen den menschlichen Fragen und dem, was wir vorfinden…Kein Mensch darf mit einem anderen Menschen – ich behaupte: auch nicht mit einem Tier – so umgehen, wie die Natur es jederzeit tut. Dieser Unterschied ist absolut…Wohlgemerkt, dieser Gedanke stammt in keiner Weise aus der Ursachenforschung nach bestimmten Naturzusammenhängen…Er verbleibt ganz und gar in den Fragen, die nur wir Menschen an die Welt und an uns selber richten können, und er stiftet eine Antwort, die der Daseinshermeneutik dient, der Vermittlung von Sinnzusammenhängen, nicht von Kausalzusammenhängen.“21
„Wenn jemand verzweifelt ist, fragt er sich, warum er überhaupt lebt; wenn jemand gelangweilt ist, fragt er sich, was für einen Sinn sein Leben haben soll. Nur wenn wir sehr glücklich sind, stellen sich derartige Fragen scheinbar gar nicht mehr, sondern beantworten sich von innen her wie von selbst, durch ein Gefühl der Sicherheit und der Geborgenheit im Dasein.“ 22
„Vor dieser Alternative steht man heute: entweder man setzt am Menschen seine biologischen Antriebe als das Wesentliche und reduziert infolgedessen sein Geistesleben auf die ‚Verschleierung‘ gewisser ‚primärer‘ Bedürfnisse; man nimmt im Rahmen eines rein evolutionären Denkens das, was zeitlich später in Erscheinung tritt (Geist, Bewusstsein), für das, was auch ontologisch als etwas Abgeleitetes, als etwas wert – und wesensmäßig Sekundäres verstanden werden müsse,- dann bleibt keine andere Hoffnung, als die von Freud bereits verschiedentlich geäußerte: es möge eines Tages zur Lösung der Menschheitsfragen die gesamte psychoanalytische Therapie durch eine bessere Kenntnis von ‚besonderen chemischen Stoffen‘ ersetzt werden, mit deren Hilfe man ‚im seelischen Apparat direkt‘ auf die menschlichen Ängste und neurotischen Störungen Einfluss nehmen könne…Oder es müsste dem Menschen gelingen, die Angst seiner kontingenten Freiheit zu beruhigen in einer absoluten Freiheit, die ihm gegenübersteht und von der er sich gehalten und getragen weiß; die Fragen des Geistes müssten dann beantwortet werden von einem absoluten Geist hinter der dunklen Unbewusstheit des größten Teils der Menschenpsyche und der gesamten schweigenden Vernunft der uns umgebenden Natur.“ 23
Das Faktum, dass der Mensch i s t, genügt – wirklich?
Dieses unumstößliche ‚Dogma‘ des Positivismus und Materialismus greift heute um sich in einer Art und Weise, die einem den Atem verschlägt. Religion ist ‚von gestern‘. So tönt es von den ‚Kanzeln‘ der Ideologen und Propagandisten. Religion ist irrelevant. Man braucht sich mit ihr nicht zu befassen, weil es sinnlos ist. Sie kommt nirgends mehr vor, sie kann keinen Sinn vermitteln und keine sinnvollen Aussagen treffen, weil sie keine messbaren Kriterien bereit zu stellen vermag, an denen ihre Antworten ablesbar sind und auf Gültigkeit verifiziert werden können. Religion ist belanglos, alltagsuntauglich, entbehrlich, ‚nicht der Rede wert‘.
Der bekannte Schweizer Theologe Hans Urs von Balthasar
… hält nicht nur dagegen. Er zeigt die innere Widersprüchlichkeit dieser Positionen auf, weil sie der Herausforderung durch die Wirklichkeit gar nicht entfliehen können:
„Marx hat zu philosophieren aufgehört, als er Hegel entsagte; so wird die Sinnfrage im Ganzen nie mehr gestellt. Das Faktum, dass der Mensch i s t, genügt. Dies Faktum selber erhellt kein Licht. So kann den Prozess schließlich nur eine absolute Notwendigkeit führen. Weder Gott noch Mensch, sondern die Logik der Sache, des Kapitals, dirigiert die Geschichte…Die beiden Hauptspieler des Dramas: der Kapitalist und das Proletariat spielen der einzig aktiven Kraft, dem Kapital, gegenüber die durchaus passive Rolle von Getriebenen… “ 24
„Es findet wie ein Wettlauf statt, wer wirksamer und tiefer diese Freiheit verstehen und durchsetzen kann. Der Atheismus ist ganz mit diesem Thema beschäftigt: Befreiung der Vernunft von den Fesseln des Glaubens (Aufklärung), Befreiung des wirtschaftlich versklavten Menschen zu menschenwürdiger Arbeit (Marx), Befreiung des Individuums von den Ketten seiner unbewältigten Vergangenheit (Freud), Befreiung der gesamten Menschheit vom Alpdruck eines nicht mehr geglaubten, als Leiche in der Weltgeschichte mitgeschleppten Begriffes Gott (Nietzsche)“ 25
„Dort erübrigt sich auch die Angst vor der Provokation durch atheistische Freiheitsentwürfe. Denn sie alle stehen schließlich mit den Christen zusammen in der gleichen Provokation durch die Weltwirklichkeit selbst…und können ihr nur mit einer diese Wirklichkeit transzendierenden Utopie begegnen. Nie wird innerweltlich das Herr – Knecht – Verhältnis völlig aufhebbar sein Marx), nie wird der Mensch seinen Ursprung völlig einholen und verarbeiten (Freud), nie wird er als ‚Übermensch‘ der vollkommen Schenkende, sich niemandem Verdankende sein (Nietzsche). Nie wird in dieser Welt der Mensch den wahrhaft freien ‚homo absconditus‘ (Bloch) aus sich selber heraus zaubern oder eine aggressionslose Natur (Marcuse) konstruieren können. Der christliche Freiheitsentwurf ist doch größer als alle diese Entwürfe, da er die Freiheit zum Tode nicht nur (mit der Stoa und Buddha) einholt, sondern sie überholt im freien Glauben Christi, dass Gott ihn, den ganzen Menschen – mit seinen Brüdern, mit Geschichte und Kosmos – ins Heile heben wird am ‚dritten Tag‘“ 26
„Das Gehirn hat das Denken nicht erfunden…“ Hoimar von Ditfurth (1921-1989)
… verdanken wir die ‚faktenbasierte‘ Erkenntnis, dass es doch eine „wahrhaft aberwitzige Vorstellung (ist), wenn wir immer so tun, als sei das Phänomen des Geistes erst mit uns selbst in dieser Welt erschienen.“ Denn:
„Das Gehirn hat das Denken nicht erfunden…So wenig, wie die Beine das Gehen erfunden haben oder die Augen das Sehen. Beine sind die Antwort der Evolution auf das Bedürfnis nach Fortbewegung auf dem festen Boden gewesen. Und Augen waren eine Reaktion der Entwicklung auf die Tatsache, dass die Oberfläche der Erde von einer Strahlung erfüllt ist, die von festen Gegenständen reflektiert wird. Dieser Umstand erst gab der Evolution die Möglichkeit, Organe zu entwickeln, die sich dieser Strahlung zur Orientierung bedienten. So gesehen sind Augen also ein Beweis für die Existenz der Sonne. So, wie Beine ein Beweis sind für das Vorhandensein festen Bodens und ein Flügel ein Beweis für die Existenz von Luft. Deshalb dürfen wir auch vermuten, dass unser Gehirn ein Beweis ist für die reale Existenz einer von der materiellen Ebene unabhängigen Dimension des Geistes. Wenn wir diesen Gedanken verfolgen, stoßen wir auf die wohl grundlegendsten aller unserer anthropozentrischen Missverständnisse und Selbsttäuschungen: Es ist doch eine wahrhaft aberwitzige Vorstellung, wenn wir immer so tun, als sei das Phänomen des Geistes erst mit uns selbst in dieser Welt erschienen. Als habe das Universum ohne Geist auskommen müssen, bevor es uns gab. Genau die umgekehrte Perspektive dürfte dem wahren Sachverhalt sehr viel näherkommen: Geist gibt es in der Welt nicht deshalb, weil wir ein Gehirn haben. Die Evolution hat vielmehr unser Gehirn und unser Bewusstsein allein deshalb hervorbringen können, weil ihr die reale Existenz dessen, was wir mit dem Wort Geist meinen, die Möglichkeit gegeben hat, in unserem Kopf ein Organ entstehen zu lassen, das über die Fähigkeit verfügt, die materielle mit dieser geistigen Dimension zu verknüpfen.“ 27
„Bessere Lieder müssten sie mir singen…“
Mit diesem Schlachtruf war das Drama eröffnet. Welches Drama? Das Drama des „tollen Menschen“, der sich einbildete, er habe „Gott getötet“. Er philosophierte sich voller Hybris in eine selbstherrliche Pose, die vorgab, einen Schwamm zu besitzen, der in der Lage war, auch den allerletzten Horizont auszulöschen. Die gewaltige Bildersprache des Röckener Pastorensohnes
Friedrich Nietzsche (1844-1900)
… war es aber auch, die so deutlich wie nur möglich die Konsequenzen beschrieb, in die der Mensch ohne Gott geriet. Wenn die Erde sich von der Sonne losgekettet hat, so Nietzsche, dann taumelt sie ort- und zeitlos, ziel – und orientierungslos im unendlichen Weltall umher. Wir wissen um das tragische persönliche Schicksal von Friederich Nietzsche, der nach einer gewaltigen geistigen Eruption in einen fast zehnjährigen geistigen Dämmerzustand fiel, bis ihn der Tod dann wirklich erlöste. Doch ist dieser Dämmerzustand nicht zum Teil auch ein Kennmerkmal unserer Tage? Leben wir nicht in einer Zeit, die vor Grauen, vor Gräuel zu vergehen scheint? Erleben wir nicht eine Kluft von ‚Habenichtsen‘ zu Superreichen, deren Pläne tatsächlich wahnwitzig sind und die ihre oft absurden Ansprüche gegen jeden Verstand, gegen jede Moral und gegen jeden Anstand durchsetzen? Durchsetzen um buchstäblich jeden Preis? Denen es egal ist, ob die Schöpfung irreparabel zerstört wird, denen es egal ist, wie viele Opfer ihrer Profitgier und ihrem Imperialismus anheimfallen. Die zwischen Lüge und Wahrheit weder unterscheiden wollen noch wohl unterscheiden können.
„Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müssten mir seine Jünger aussehen!“ 28
So sagte es einst der Dichter des „Anti-Christen“. Ihm entgegen hielt – aus guten Gründen und mit tieferem Blick
Karl Rahner (1904-1984),
… dass dieser Zustand nicht zwangsläufig so sein muss. Wenn, ja wenn der Mensch – endlich, möchte man sagen – anfängt sich zu besinnen. Zu besinnen darauf, dass er nicht zuerst der Macher ist, sondern der, der empfangen hat und empfängt. Der, der nicht im Status des Habens existiert, sondern der im Allerletzten immer ein Angewiesener ist – und bleibt. Der, der ein „Hörer des Wortes“ ist – und bleibt. Angewiesen auf ein Wort des Zuspruchs, der Annahme des Verzeihens, des Wohlwollens, der Liebe. Doch dafür ist Metanoia unumgänglich, Um-kehr. Der Mensch – gerade der Mensch von heute – muss eine ‚Kehre‘ vollziehen. Er muss sie vollziehen, um aus der Entfremdung (endlich) wieder zu sich selbst zurückzufinden. Zu sich, d. h. zu einer Existenz des Seins, zu einem Leben, in dem Dankbarkeit und Freude, Hoffnung und Vertrauen (wieder) Grundpfeiler sind. Doch dafür ist eine ehrliche ‚Gewissenserforschung‘ vonnöten, denn:
„Zunächst müsste man zurückfragen, ob der Mensch sich heute unerlöst erfährt, eingesperrt in die Hölle seiner Schuld, ummauert von seinen tausend Endlichkeiten und Enttäuschungen. Wenn der Mensch von heute diese seine Unerlöstheit nicht vorlässt…dann kann er natürlich auch seine Erlöstheit nicht erfahren.“ 29
Wie sähe es denn tatsächlich aus, wenn der Mensch „seine Unerlöstheit“ wirklich vorlassen würde?
Eugen Drewermann (geb. 1940)
… gibt hierzu abschließend eine Antwort, die an Eindringlichkeit und Deutlichkeit nichts zu wünschen übriglässt, wenn er schreibt:
„So läuft denn alles auf die Frage hinaus, zu wem der Mensch sich wesentlich verhält…Um aus dem Getto der mythischen Vielgötterei und neurotischen Zwänge herauszutreten, bedarf es einer Erfahrung, in der die Angst auf dem Untergrund der Existenz…überwunden wird…Die Angst der Existenz beruhigt sich nur durch das Vertrauen in die Liebe einer anderen Person. Diese Person aber kann nie ein Mensch, sondern…nur Gott allein dem Menschen sein…Der Abgrund der Angst könnte nur überwunden werden durch einen absoluten Grund der Existenz; aber man wird nie, durch keinerlei Anstrengung, den Angsttraum der Selbstvergöttlichung, des eigenen absoluten Seins…verwirklichen.“ 30
In aller Klarheit
„In aller Klarheit: wenn von Gott nicht als einer vom menschlichen Du, vom menschlichen Geist und von der menschlichen Psyche verschiedenen Person die Rede ist, wird man in der Beschreibung der Störquellen und Störmechanismen der zwischenmenschlichen Beziehungen nicht über die Neurosenlehre, die Existentialanalyse oder den dialektischen Materialismus hinauskommen, ja es ist in Anbetracht der Hoffnungslosigkeit, die darin liegt, dass es nichts über den Menschen hinaus gebe, sehr unwahrscheinlich, dass man überhaupt die Radikalität und Totalität einer solchen Ausweglosigkeit akzeptieren wird…Der Weg in die Gnosis, in die Verunendlichung der Psychologie, bzw. in den Pantheismus, in die Verunendlichung der Schöpfung, ist dann nicht mehr aufzuhalten. In der Praxis wird eine solche ‚Theologie‘ darum wie eine „So läuft denn alles auf die Frage hinaus, zu wem der Mensch sich wesentlich verhält…Um aus dem Getto der mythischen Vielgötterei und neurotischen Zwänge herauszutreten, bedarf es einer Erfahrung, in der die Angst auf dem Untergrund der Existenz…überwunden wird…Die Angst der Existenz beruhigt sich nur durch das Vertrauen in die Liebe einer anderen Person. Diese Person aber kann nie ein Mensch, sondern…nur Gott allein dem Menschen sein…Der Abgrund der Angst könnte nur überwunden werden durch einen absoluten Grund der Existenz; aber man wird nie, durch keinerlei Anstrengung, den Angsttraum der Selbstvergöttlichung, des eigenen absoluten Seins…verwirklichen.“ 31
- Eugen Drewermann „Strukturen des Bösen“ III, München, Paderborn, Wien 1978, 8. Auflage 1996, S. 577 ↩︎
- Reinhold Schneider „Der Balkon“, Wiesbaden 1957, S. 168 f ↩︎
- Reinhold Schneider „Der Balkon“, Wiesbaden 1957, S. 170 f ↩︎
- Dietrich Bohoeffer „Worte für jeden Tag“, Güterslohe2001 (4. Auflage), S.69 (2. September) – entnommen aus Dietrich Bonhoeffer – Lesebuch, 3. Auflage 1994, Güterslohe, S. 119 ↩︎
- Karl Rahner „Gegenwart des Christentums“, aus „Über die Möglichkeit des Glaubens heute“, S.36 ↩︎
- Karl Rahner „Schriften zur Theologie“, IV, S. 143f ↩︎
- Karl Rahner „Das kleine Kirchenjahr“, München 1953, S. 13-15 ↩︎
- Karl Rahner in „Der Dialog“ – Garaudy – Metz – Rahner, Hamburg 1966, S. 14 f ↩︎
- Karl Rahner in „Der Dialog“ – Garaudy – Metz – Rahner, Hamburg 1966, S. 14 f ↩︎
- Karl Rahner „Schriften zur Theologie III, 1962 (5. Auflage), Einsiedeln, Zürich, Köln, S. 94 ↩︎
- Karl Rahner in „Beten mit Karl Rahner“, Band 1 „Von der Not und dem Segen des Gebetes“, Freiburg-Basel-Wien 2004, S. 67 f ↩︎
- Karl Rahner/Karl-Heinz Weger „Was sollen wir noch glauben?“, S. 48 ↩︎
- Karl Rahner „Schriften zur Theologie“, XV, S. 134-137 ↩︎
- Karl Rahner „Von der Not und dem Segen des Gebetes“, Innsbruck 1949, S. 35 ↩︎
- Eugen Drewermann „Wendepunkte“, Ostfildern 2014, S.9f ↩︎
- Eugen Drewermann „Strukturen des Bösen“, III, Paderborn 1988, S.348 ff ↩︎
- Eugen Drewermann „Das Wichtigste im Leben“, Ostfildern 2015, S. 88 f ↩︎
- Eugen Drewermann „Wir glauben, weil wir lieben“, Ostfildern 2010, S. 157 ff ↩︎
- Eugen Drewermann „Nur die Liebe lehrt uns glauben“, Oberursel 2010, S. 70 f ↩︎
- Eugen Drewermann „Wir glauben, weil wir lieben“, Ostfildern 2010, S. 155 ↩︎
- Eugen Drewermann „Wir glauben, weil wir lieben“, Ostfildern 2010, S.156-168 ↩︎
- Eugen Drewermann, „Das Markusevangelium“, zweiter Teil, Düsseldorf 1994, S. 285 f ↩︎
- Eugen Drewermann „Strukturen des Bösen“, III, München, Paderborn, Wien 1978, 8. Auflage 1996, S. XXIX ↩︎
- Hans Urs von Balthasar „Herrlichkeit“, Band III, 1, Teil 2, S.927 ↩︎
- Hans Urs von Balthasar „In Gottes Einsatz leben“, Johannes Verlag Einsiedeln,1971, S.14 ↩︎
- Hans Urs von Balthasar „In Gottes Einsatz leben“, Johannes Verlag Einsiedeln,1971, S. 114 ↩︎
- Hoimar von Ditfurth „Der Geist fiel nicht vom Himmel“, München 1980, S. 318 ↩︎
- Friedrich Nietzsche „Also sprach Zarathustra“, Leipzig 1941, S. 98 ↩︎
- Karl Rahner/ Karl -Heinz Weger „Was sollen wir noch glauben?“, Freiburg-Basel-Wien 1979, S. 146 ↩︎
- Eugen Drewermann „Strukturen des Bösen“ III, München, Paderborn, Wien 1978, 8. Auflage 1996, S. XLI f ↩︎
- Eugen Drewermann „Strukturen des Bösen“ III, München, Paderborn, Wien 1978, 8. Auflage 1996, S. XLI f ↩︎