Eine Meditation.
Kommt die Botschaft von Weihnachten heute an? Jene Botschaft, auf die wir uns im Advent vorbereiten? Kann sie überhaupt (noch) ankommen? Gibt es denn eine Erwartungshaltung, einen Fragehorizont, in dem die christliche Botschaft als (mögliche) Antwort vernehmbar und verständlich wird? Diese Fragen berühren das Fundament unseres Seins und unseres Glaubens gleichermaßen.
„Modern sein oder nicht modern sein, das ist eine sehr problematische Frage … Was wir in der Kirche oft als höchst modern betreiben, sind die alten, abgelegten Kleider der andern von gestern, die wir dann anziehen und uns darin besonders modern vorkommen.“ [1]
Vielleicht ist es aber gerade der ‚alte‘ Glaube, den wir vom Mann aus Nazareth neu lernen können – und auch sollten! Der Glaube, der uns heute helfen kann in einer Zeit, die vielfach halt- und orientierungslos geworden zu sein scheint:
An Jesus glauben als den Christus
„Man kann sich gegen alles das entscheiden, wovon sich Jesus überzeugt gab: dass unser Dasein in den Händen eines <<väterlichen>> Gottes ruhe, der möchte, dass wir sind, und der uns selbst im Tode nicht verlassen werde; – dann aber muss man sich für eine Welt entscheiden ohne Gnade, und man muss dann auch wissen, was man damit auf sich nimmt; oder man wählt für sich den Standpunkt Jesu, dann wird der Mann aus Nazareth zum Grund für eine Menschlichkeit, wie sie sonst nicht zu leben wäre, er wird zum letztgültigen Sprachrohr Gottes, er wird absolut. An Jesus glauben als den Christus, den <<Sohn Gottes>>, ist deshalb eine Aussage über den Glaubenden…“[2]
Wer sein Menschsein ganz annimmt
Karl Rahner formuliert dieses existentielle Engagement nicht weniger ein- und nachdrücklich:
„Schon mancher ist Jesus Christus begegnet, der nicht wusste, dass er denjenigen ergriff, in dessen Tod und Leben er hineinstürzte als in sein seliges, erlöstes Geschick … Gott und Christi Gnade sind anwesend als geheime Essenz aller wählbaren Wirklichkeiten, und darum ist es nicht so leicht, nach etwas liebend zu greifen, ohne mit Gott und Jesus Christus … zu tun zu bekommen. Wer … seine Menschheit annimmt, in schweigender Geduld, besser in Glauben, Hoffnung und Liebe … als das Geheimnis, das sich in das Geheimnis ewiger Liebe birgt … der sagt, auch wenn er es nicht weiß, zu Jesus Christus ja … Wer sein Menschsein ganz annimmt … der hat den Menschensohn angenommen, weil in ihm Gott den Menschen angenommen hat.“[3]
Lasst uns den Advent feiern
Dann aber lasst uns den Advent recht feierlich begehen und freudig auf Weihnachten zugehen, mit allen bekennenden und allen ‚anonymen Christen‘[4], denn:
„Wenn das Christentum die mit absolutem Optimismus geschehende Inbesitznahme des Geheimnisses des Menschen ist, welchen Grund sollte ich dann haben, kein Christ zu sein?“ [5]
[1] Karl Rahner „Das Ordensleben heute und morgen“, SW 25, 459; auch in „Wagnis des Christen“, Freiburg-Basel-Wien 1974, S. 147
[2] Eugen Drewermann „Wendepunkte“, Ostfildern 2014, S. 229
[3] Karl Rahner „Bekenntnis zu Jesus Christus“, SW 12, 302-308; auch in „Bekenntnis zu Jesus Christus“, herausgegeben von Albert Raffelt und mit einem Geleitwort von Karl Kardinal Lehmann – Freiburg-Basel-Wien 2014, S. 37-39
[4] Ein Ausdruck, den Karl Rahner geprägt hat, der Zustimmung und Widerspruch hervorgerufen hat, und dem Nikolaus Schwerdtfeger – emeritierter Weihbischof im Bistum Hildesheim – unter Leitung von Karl Kardinal Lehmann eine souveräne und hoch anerkannte Arbeit unter dem Titel „Gnade und Welt“ (Freiburg-Basel-Wien 1982) gewidmet hat und die die Berechtigung, ja das Erfordernis dieser Begrifflichkeit mit Nachdruck herausstellt.
[5] Karl Rahner „Schriften zur Theologie“ V,16