Letzte Worte über den Menschen – und über Gott

Wochenimpuls September 2025-4

Zum Segen für die Menschheit?

In der letzten Meditation im Monat September über kirchliche Sinnspuren in not- und säkularen Wendezeiten komme ich noch einmal auf die Anthropologie, die Lehre über den Menschen zurück, die sich heute aufspaltet in einen unübersehbaren Pluralismus von Wissenschaften, die unzählig viele und verschiedene Aspekte immer differenzierter erforscht und – hoffentlich zum Segen für die Menschheit – auch anwendet. Niemand wird hier einen allumfassenden Überblick gewinnen können, denn heutige Resultate des Wissens sind schon morgen veraltet. Und die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz, die unendlichen Speichermöglichkeiten von unbegrenzten Datenmengen, stellen einen Fortschritt dar, der nicht geleugnet werden kann und nicht geleugnet werden darf. Dessen Ambivalenz im Gebrauch allerdings auch Quelle großer Sorgen, Fragen und Ängste ist. 

Das Geheimnis des Menschen wahren und schützen

Es bleibt die Frage, ob es ‚letzte Worte‘ über den Menschen gibt, Worte, die keine erschöpfende Summenformel abgeben, die aber geeignet sind, das Geheimnis des Menschen zu wahren und zu schützen. In seiner Arbeit über die Theologie Karl Rahners 1 hat Ralf Miggelbrink einige solcher ‚letzten Worte‘ über den Menschen gefunden:  

„Das letzte Wort der Theologie an den Menschen ist nicht die theoretische Spekulation über das Maß an Freiheit und Verantwortlichkeit in Einzelfällen, sondern die Zusage, dass sich Gott in seiner Gnade dem Menschen zu liebender Nähe anbietet und auch die akthafte Annahme seiner Selbstmitteilung in der personalen Liebesekstase noch von Gott ermöglichend getragen ist.“ 2

Das letzte Wort der Theologie Karl Rahners als anthropologischer ist die mystagogische Aufforderung, die Nächstenliebe zu vollziehen als Verähnlichung Christi und als Erfüllung des Begriffes, den Gott mit seiner Inkarnation vom Menschen gebildet hat.“ 3

 „Die Theologie ist der die ganze Existenz kostende Aufwand, die Geheimnishaftigkeit Gottes als vom Menschen anzunehmende zu verteidigen gegenüber dem hybriden Zugriff auf Gott. Damit ist aber die Theologie als unter dem Gesetz der Analogie stehende notwendig ein schmerzhaftes Tun.“ 4

Nur daran Maß nehmen

Vielleicht ist dieser Dienst heute am allerwichtigsten und die Kirche wird weder ihrem Sein noch ihrem Auftrag, der sich aus ihrem Wesen ergibt, gerecht, wenn sie diesen Aufwand scheut, „die Geheimnishaftigkeit Gottes als vom Menschen anzunehmende zu verteidigen.“ Und dabei hat sie ein unverrückbares ‚Leitbild‘ vor Augen gestellt bekommen, nämlich die „Erfüllung des Begriffes, den Gott mit seiner Inkarnation vom Menschen gebildet hat“. Alles, was wir denken und tun, hat sich an der „Verähnlichung Christi“ zu orientieren. Daran hat sie Maß zu nehmen – nur daran! 


  1. Ralf Miggelbrink „Ekstatische Gottesliebe im tätigen Weltbezug“, Altenberge 1989 ↩︎
  2. Ralf Miggelbrink „Ekstatische Gottesliebe im tätigen Weltbezug“, Altenberge 1989, S. 148 ↩︎
  3. Ralf Miggelbrink „Ekstatische Gottesliebe im tätigen Weltbezug“, Altenberge 1989, S. 317 ↩︎
  4. Ralf Miggelbrink „Ekstatische Gottesliebe im tätigen Weltbezug“, Altenberge 1989, S.70 ↩︎
Bild von Sabine Lange auf Pixabay

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