Das Amt in der Kirche – ökumenischer Einwurf eines Laien

Es gibt einen „Begriff“ des Christentums. Darum ist eine „Einführung in den Begriff des Christentums“ legitim, ja erforderlich! Mindestens ebenso wichtig ist allerdings die „Einübung“ des Christentums. Darum gibt es bei Karl Rahner zwei wichtige Werke, die gleichwertig nebeneinanderstehen und die erst den ‚ganzen‘ Rahner hergeben: Der „Grundkurs des Glaubens“ oder – wie es im Untertitel heißt: „Einführung in den Begriff des Christentums“ und „Einübung priesterlicher Existenz“. 1 Zum letztgenannten Werk gibt Nikolaus Schwerdtfeger den wichtigen Hinweis, ohne den das Werk nicht zu verstehen ist, dass nämlich priesterlich bei Karl Rahner „zuallererst christlich“ meint. 2

Um der „intellektuellen Redlichkeit“ wegen bedarf es der „Einführung in den Begriff des Christentums“. Man ‚hat‘ es allerdings nie im Sinne von ‚besitzen‘. Christliches Leben wird man immer nur – immer wieder neu, jeden Tag neu – „einüben‘ können und einüben müssen. Denn der Lebensvollzug des Christlichen bringt seine eigene Glaubwürdigkeit mit sich. 

Amtsverständnis als Hindernis?

Nun gilt im ökumenischen Gespräch das ‚Amtsverständnis‘ gemeinhin als das eigentliche Hindernis. Ohne ‚Weihepriestertum‘ keine gültige Spendung der Sakramente! Wer allerdings Karl Rahners Betrachtungen zum Priestertum – noch vor der ökumenischen Öffnung durch das II. Vatikanum – die gleichzeitig Betrachtungen zum Nachvollzug des Christentums sind, genauer anschaut, könnte in die Versuchung kommen, sich im Jahr 2025 verwundert die Augen zu reiben. Denn er kann dort – vor über 60 Jahren! –  eine Perspektive erkennen und entdecken, die – bei einigermaßen gutem Willen – sehr wohl als Konsensformel im gemeinsamen, interkonfessionellen Gespräch zum Amtsverständnis erscheint bzw. erscheinen könnte. 

Unter der Überschrift „Diener der Gemeinde“ können wir bei Karl Rahner lesen:

„Die Kirche hat im Voraus zu ihrer hierarchischen Amtsverfassung eine Existenz und Struktur, und sosehr die hierarchische Struktur zu ihrem notwendigen, von Christus gegründeten Wesen gehört, ist sie eben gegeben, weil diese Kirche ist und sein soll und weil Christus die Menschheit erlöst hat und zur Gemeinde der Glaubenden, Gerechtfertigten und Erlösten zusammengerufen hat. Wir haben … unsere Amtsgewalten, aber wir haben sie, weil es die heilige Gemeinde Gottes in Jesus Christus gibt und geben soll. Darum sind alle diese Funktionen dienende Funktionen. Letztlich sind auch in der Kirche nicht der Papst und die Bischöfe und die Priester die Höchsten, sondern diejenigen, die am radikalsten glauben und am radikalsten Gott in Jesus Christus lieben. Diese innere Hierarchie der Heiligkeit bleibt und ist das erste und letzte. Alle rechtlich hierarchische Struktur hat nur eine dienende und sakramentale Funktion dieser Kirche des Geistes gegenüber, wie schon Augustinus ausführlich darlegte. Dessen müssen wir uns in unserem Beruf immer bewusst sein. Auch heute hört man immer wieder von den Gläubigen den Vorwurf der klerikalen Exklusivität, des klerikalen Hochmuts, des Alles-besser-wissen-Wollens. Diese Haltungen stehen gegen unser Wesen. Wir sind nur die Diener der Versöhnung (2 Kor. 5, 18), die „Diener ihrer Freude“ (2 Kor. 1, 24).“ 3


  1. Beide Werke erschienen im Verlag Herder Freiburg. Der „Grundkurs“ im Jahr 1976 und die „Einübung“ im Jahr 1970. Die Vorträge dort gehen auf Exerzitien aus dem Jahr 1961 (!), also noch vor dem II. Vatikanischen Konzil, zurück.  ↩︎
  2. Nikolaus Schwerdtfeger „Gnade und Welt“, Freiburg-Basel-Wien 1982, S. 65 ↩︎
  3. Karl Rahner „Einübung priesterlicher Existenz“, Freiburg-Basel-Wien 1970, S. 121 ↩︎
Bild von Thomas Ulrich auf Pixabay

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