Wochenimpuls August 2025-5
Es gibt eine wunderbare Komposition im Kirchlichen Lesejahr C an einem Sonntag im August. Da wird in einer Lesung dem Buch Kohelet, dem Prediger, das neutestamentliche Gleichnis Jesu vom reichen Kornbauern gegenübergestellt. Die Rede von Kohelet gibt die allseits bekannte Weisheit wieder, dass alles ‚Windhauch‘ ist, vieles vergebens erfolgt, alles nur zeitlichen Wert hat und vergeht – Ruhm, Schönheit, Jugend. Und dann der ‚Kornbauer‘ aus dem Gleichnis Jesu, der eine erfolgreiche Ernte einfährt, eine große, neue Scheune bauen lässt, alles ‚unter Dach und Fach‘ bringt, um das Leben endlich genießen zu können in vollen Zügen. Dem ‚Macher‘, der dem Mainstream unserer Tage entspricht, wird von ‚Gott‘ gesagt, dass „noch heute Nacht sein Leben zu Ende geht.“ Weiser, klüger war allemal Kohelet, der im Leben zu realisieren gelernt hat, dass alles seine Zeit hat: Das Säen und das Ernten, das Freuen und das Trauern, das Leben und das Sterben.
Wie irritiert man den modernen Zeitgenossen, der nicht selten meint, sich alles leisten zu können, der oft meint, alles zu wissen und alles zu können. Und wenn es dann nicht so ‚glatt‘ läuft, sind die „Schuldigen“ ja auch rasch bei der Hand: Die Migranten, diejenigen, die ‚in der sozialen Hängematte liegen‘, die Politiker, die sich eh ‚nur die Taschen vollschlagen‘ und den eigenen Vorteil im Auge behalten. So geht es munter weiter und man hat kaum die Chance, dazwischen zu kommen, weil die ‚unfehlbare Überzeugung‘ meist auch noch mit viel Pathos vorgetragen wird.
Mir hilft bei der Antwort auf die eingangs gestellte Frage eine kleine Geschichte, die sich wirklich zugetragen hat: In Wien, im letzten Quartal des 20. Jahrhunderts, gab es in der Blindengasse eine caritative Einrichtung für benachteiligte Kinder und Jugendliche‘. Sie wurde von Jesuiten geleitet. Pater Georg Sporschill SJ war der ‚Hausvater‘, der einen ganz besonderen Freund hatte, den Konzilstheologen Karl Rahner SJ, ebenfalls Jesuit. Beide waren befreundet, Karl Rahner bewunderte das Engagement von Georg Sporschill und wenn er sich in Wien aufhielt, war er nicht in irgendwelchen Hotels oder bei Bischöfen abgestiegen, sondern war fast immer in der Blindengasse. Zwischen dem großen Theologen und den – wie man sagte – ‚gestrauchelten‘ Jugendlichen ergab sich ein fast freundschaftliches Verhältnis. Das führte dazu, dass Sporschill seine Schützlinge anhielt, dem ‚sonderbaren alten Kauz‘, wie sich Rahner selbst in dieser ‚Runde‘ charakterisierte, doch in Briefen einmal ihre Sorgen und Nöte mitzuteilen. Es gab tatsächlich einen wunderbaren Briefwechsel, weil Rahner sämtliche Briefe eigenhändig beantwortet hat. Das Buch „Mein Problem“ wurde ein geistlicher Bestseller und erschien in 7-facher Auflage. Von einem Brief möchte ich gern berichten, weil er zu unserer Frage nach dem Glück passt.
Da schreibt ihm ein Jugendlicher aus ‚gutem Hause‘, wie er sich wirklich fühlt:
„Lieber Pater Rahner!
Jetzt ist dieses Würstchen aus der Schule, hat nichts zu tun und schreibt einen Brief über Glück. Dieses magische Wort, das man sucht, das man verehrt und begehrt. Dieses Wort, das mehr Menschen sterben ließ, als es ihnen das Leben zeigte. Auch meine Freunde suchen das Glück. ‚Freunde‘ ist gut gesagt. Bin ich in Not, wird keiner helfen, weil keiner helfen kann. Sie stecken selbst zu tief in dieser ‚glücklichen‘ Welt. Aber sie suchen das Glück gar nicht mehr verzweifelt. Sie legen sich hin, rauchen sich ein oder sniefen Heroin…Lieber Pater Rahner, zu allem habe ich nur eine einzige Frage: Wissen Sie eine Antwort? Wo ist hier das Glück?“
Die Antwort Karl Rahners mag erstaunen, hilfreich ist sie allemal. Und nicht nur für den fragenden jungen Mann.
„Lieber Norbert!
…Du fragst mich, wo ist das Glück? Einmal, etwas extrem formuliert, könnte ich antworten: Ich weiß es nicht. Ich würde (schilt es nicht als theologische Verstiegenheit!) sagen: Für mich ist Gott der Unbegreifliche, das Geheimnis schlechthin…Wie soll ich also wissen, wie mein Glück konkret aussieht? … Erfüllung der Pflicht, wie sie die Spießbürger spießig von mir fordern und merkwürdigerweise dabei letztlich doch recht haben, ist nur der Mut, weiterzugehen, vorbei an Götzen eines falschen Glücks des Augenblicks. Weiterzugehen auf das Glück zu, das allein diesen Namen verdient.
Herzliche Grüße von Deinem Karl Rahner“
Wo ist das Glück? „Der Mut, weiterzugehen, vorbei an Götzen eines falschen Glücks des Augenblicks.“– mir scheint, Rahner und Kohelet haben gerade auch unserer Zeit auf diese Frage eine sehr gute, weil tragfähige Antwort zu geben.
Bild von Nikolett Emmert auf Pixabay